Staub Im Paradies
sie Zoé angerufen und ihre Freundin um sechs auf einen schnellen Kaffee in der Rathausbar getroffen. Sie hatten sich über Männer und Bücher unterhalten. Mehr über Männer als über Bücher, Zoé hatte gerade ein schreckliches Date mit einem Typen hinter sich, den sie über das Internet kennengelernt hatte.
Gret hatte ihr im Gegenzug von ihrer Begegnung mit Felix berichtet und ihrer Befürchtung Ausdruck gegeben, er sei wohl doch zu feige, um mit einer Polizistin auszugehen.
Zoé hatte ihr geraten, ihm noch zwei Tage Galgenfrist einzuräumen, falls er ihr wirklich gefalle. Interessante Männer seien derart rar, da müsse man manchmal Nachsicht üben. Sie selbst träfe bereits morgen den nächsten Kandidaten aus einem Chat. Gret hatte ihr viel Glück gewünscht und war zurück nach Hause gefahren, wo sie sich einen Salat zubereitete und sich anschließend mit einem Glas österreichischem Blauburgunder in ein Schaumbad gelegt hatte.
Das Telefon auf ihrem Schreibtisch klingelte. Es war der Oberkellner aus der Seerose.
»Eine Kellnerin, die erst heute Morgen wieder Schicht hatte, ist sich sicher, dass sie Ihren Toten zusammen mit einem mittelalten tamilischen Mann bedient hat«, sagte er. »Vor rund zehn Tagen, an einem Nachmittag.«
»Könnte es sich bei dem Mann um eine der Personen handeln, deren Fotos ich Ihnen am Sonntag gegeben habe?«
»Um den Vater, ja«, sagte der Oberkellner.
Das Familienoberhaupt der Uruthiramoorthys also. Wahrscheinlich hatte Michael recht. Es wurde Zeit, die Leute etwas härter anzupacken.
Staub fischt im Trüben
Verasinghe parkt den Jeep direkt vor dem imposanten, auf einem Hügel im Grünen stehenden Gebäude, zu dem uns Adrienne dirigiert hat. Ich bezweifle inzwischen ein wenig, ob die Idee, zu Titus Trüeb zu fahren, wirklich so gut war. Aber Adrienne hatte dieses Vorhaben fanatisch verteidigt und Verasinghe war klaglos damit einverstanden. Deshalb stehen wir nun also hier in der Mittagsglut und begehren Einlass.
»Wir suchen Herrn Trüeb«, spreche ich auf Englisch in eine Gegensprechanlage.
Sofort kommt die Frage, wer wir denn seien.
»Police«, verkündet Verasinghe knapp. »Please open the door!«
Es dauert ein wenig, doch dann höre ich einen Schlüsselbund klimpern und einen Riegel klappern.
Ein alter, weißhaariger Mann in einem beigefarbenen Leinenanzug stößt die zweiflüglige schwere Eisentüre auf.
»Mister Trüeb is expecting you«, sagt er förmlich und hinkt vor uns her über einen Kiesweg auf die hölzerne Veranda zu.
Ich registriere sorgfältig zurechtgestutzte Bananenstauden, zwei aufgeklappte Liegestühle, einen Teich, in dem orangefarbene Kois umherschwimmen, das blank polierte Emblem des Roten Kreuzes über der Tür sowie eine angenehme Kühle im Haus – offensichtlich ist der Luxusschuppen klimatisiert. Zwei westlich aussehende Frauen hämmern in einem Büro im Parterre bei offener Tür konzentriert auf Computertastaturen herum. Der Herr des Hauses erscheint schließlich in Shorts, Sandalen und einem abgetragenen, rosafarbenen Hemd. Als sein Blick auf die gute Adrienne fällt, zuckt sein faltiges, unsympathisch wirkendes Gesicht zusammen, als bisse er in eine Zitrone. Ich vermute, dass ihn einzig Verasinghes Uniform daran hindert, uns auf direktem Weg wieder hinauszuwerfen.
»Sie sind von der Polizei?«, fragt er skeptisch, während wir immer noch mitten im Gang herumstehen.
»Ich bin Hauptmann Fred Staub von der Zürcher Kantonspolizei und mache hier Ferien«, kläre ich ihn auf. »Dieser Mann«, zeige ich auf Verasinghe, »arbeitet dagegen als Chefinspektor für die einheimische Polizei und untersucht offiziell den Mord an Ihrem Schachpartner Rainer Schütz. Ich helfe ihm dabei, inoffiziell.«
»Offiziell, inoffiziell!«, höhnt er. »Was soll der Unsinn?«
»Sie wissen bereits, dass Rainer Schütz tot ist?«, ignoriere ich seinen Einwurf.
Trüeb verwirft theatralisch die Hände: »Muss ich wirklich mit Ihnen sprechen?«
Ich schiele genervt hinüber zu Verasinghe.
Er begreift sofort, was gefragt ist, und erklärt Trüeb in einfachen Worten, dass er uns jetzt entweder in einen netten Salon führen kann, um alle erdenklichen Fragen, die uns gerade in den Sinn kommen, freundlich zu beantworten. Oder dass er andernfalls auf den nächsten Posten abgeführt werde, wo er dieselben Fragen in einem wanzenverseuchten Loch zu hören bekomme. Zur Unterstützung dieser schlichten Botschaft hält Verasinghe Trüeb seine klobige, golden leuchtende
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