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Staub Im Paradies

Titel: Staub Im Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Solèr
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zigmal hin- und hergespult. Ohne Resultat. Aber er schaut sie derzeit nochmals durch.«
    »Rexon könnte den Perron auch bis auf die Höhe des Sihlquais vorgelaufen und da links abgebogen sein«, spekulierte Bea. »Dann käme er mit der S2, der S8 oder der S24 nach Thalwil.«
    »Hier war er aber nicht. Oder hab ich euch vorhin falsch verstanden?«, reagierte Michael etwas barsch.
    Bea mimte sofort die Beleidigte.
    »Vielleicht ging er auch nur runter, um einzukaufen oder etwas zu essen«, überlegte Mario.
    Michael stieg nicht darauf ein.
    »Häberli hört sich um, ob in letzter Zeit irgendwo eine größere Menge Dollars aufgetaucht ist«, sagte er stattdessen. »Bieri kümmert sich um die Kameras, Kollar sorgt dafür, dass das Bild des Toten heute Abend nochmals wirklich groß in den Nachrichten gezeigt wird. Ich selbst suche nachher Strich, vielleicht hat er doch noch irgendwas. Sonst brauchen wir einen Geistesblitz. Denn Rexon kann nicht einfach wie vom Erdboden verschluckt gewesen sein. Irgendwohin muss er vom Bahnhof aus gegangen, irgendwo umgebracht worden sein.«
    »Ich sehe noch ein ganz anderes Problem«, sagte Gret, die sich inzwischen wieder zu ihnen gesellt hatte, leise.
    »Ja?«, richteten sich alle Augen auf sie.
    »Lassen wir mal außer Acht, wo der Täter Rexon niedergestochen hat. Warum deponiert er die Leiche ausgerechnet hinter dem Riff Raff? «
    Betretenes Schweigen.
    »Weil er den Verdacht gezielt auf die Tamilengemeinschaft oder einen bestimmten Tamilen lenken will«, sprach Gret weiter. »Je länger ich an diesem Punkt rumhirne, desto eher komme ich zu dem Schluss, dass das eigentlich nur eins bedeuten kann.«
    Mario verstand wieder einmal nicht, worauf seine schlaue Bürokollegin hinauswollte. Aber immerhin schien ihr diesmal auch Bea nicht folgen zu können.
    Nur einer begriff sofort, was Gret meinte: Michael.
    »Dass der Täter vielleicht gar kein Tamile ist«, resümierte er.
    »Genau darauf läuft es hinaus«, nickte ihm Gret zu.
    »Unsinn«, protestierte Bea sofort. »Wer sollte denn sonst von der geplanten Geldübergabe gewusst haben?«
    Auch Mario winkte ab. Gret war zwar klug, aber deshalb noch lange nicht unfehlbar. Er war sich ganz sicher, dass ein Tamile Rexon erstochen hatte, etwas anderes kam einfach nicht infrage.
    »Sprich die Idee ja nicht laut aus«, fuhr Bea, die offenbar genauso dachte, eindringlich fort. »Damit begeisterst du höchstens die Multikulti-Fanatiker von der linken Presse.«
    »Ich meine ja nur«, sagte Gret in entschuldigendem Ton.
    »Dein Gedanke ist ausgezeichnet, Gret«, nahm Michael sie aber sofort in Schutz. »Zumindest ist er es wert, dass wir noch mal etwas intensiver über ihn nachdenken.«
    Bea verzog ihr Gesicht und Gret gönnte ihr ein verkniffenes Lächeln.
    Michael übersah das alles geflissentlich.
    »Können wir hier noch was tun?«, blickte er sich fragend um.
    »Ich glaube kaum«, antwortete Mario. »Die Kriminaltechniker werden demnächst ebenfalls abziehen, haben sie vorhin gesagt.«
    »Kann man hier irgendwo einen Kaffee trinken?«, erkundigte sich Michael.
    »Ich kenne das Grottebach, ein gutbürgerliches Lokal mit Seeblick, in dem sie ganz anständige Cappuccinos machen«, meinte Bea versöhnlich. »Nicht weit von hier.«
    »Gehen wir«, sagte Michael.
    In solchen Augenblicken fand Mario seinen neuen Chef gar nicht mehr so übel. Besonders im Vergleich zu Staub.

Staub sieht Löwen
    Es ist Freitag, kurz vor Mittag, und Haputale erweist sich als schnuckeliges kleines Dorf auf einem luftigen Grat. Ein paar Häuser und Hütten, ein farbenfroher Blumen- und Gemüsemarkt und ein prächtiger Bahnhof, der dem Baustil nach noch von den Engländern erstellt wurde. Der Blick Richtung Süden, hinunter ins Tiefland, ist angeblich beeindruckend. Leider wird er heute durch dichten Nebel beeinträchtigt.
    Ich friere. Einerseits bin ich immer noch von dieser Mageninfektion geschwächt – meine Gedärme beruhigten sich erst gestern – und andererseits ist es ungewohnt kalt hier auf rund tausendvierhundert Metern Höhe.
    Ich betrete eine Teestube an der Hauptkreuzung des Ortes, lasse mich an einem wackligen Holztisch nieder und bestelle einen Tee. Realisiere, dass Annas Theorie – je größer die Kälte, desto weniger Insekten – eine Mär ohne jede Grundlage ist: Noch nie habe ich irgendwo mehr Fliegen gesehen als in diesem düsteren Schuppen. Die ganze Decke ist schwarz davon, die Viecher kitzeln mich im Nacken und krabbeln über meine Arme, als sei

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