Staub Im Paradies
bergseitigen Straßenrand steht. Dann rennen Soldaten auf uns zu und umstellen unseren Jeep.
»Was soll denn das?«, frage ich besorgt.
Die Soldaten zielen geradewegs auf unsere Köpfe. Ich habe wirklich Angst und bin mir vollkommen bewusst, dass wir keine Chance hätten, unser Leben zu retten, falls ihm jetzt jemand ein Ende machen wollte.
Doch noch fällt kein Schuss.
»Aussteigen!«, brüllt jemand in unser Auto. Sind das etwa Straßenräuber oder gar die verdammten Rebellen? Nein, für mich sehen die Übeltäter wie ganz normale Militärs aus. Und sie benehmen sich auch so: rüpelhaft, stumpfsinnig, rücksichtslos. Mein Pass wird eingezogen, den Protesten Verasinghes zum Trotz. Noch immer zielen mehrere Soldaten direkt auf unsere Köpfe.
Sie wollen uns nur Angst einjagen, rede ich mir ein. Wenige hundert Meter von Müllers Villa entfernt. Kein Zufall vermutlich. Vielleicht warten die Soldaten nur auf eine falsche Bewegung von uns, um endlich abzudrücken. Ich getraue mich jedenfalls kaum noch zu atmen.
Minutenlang stehen wir da, mitten auf der Straße. Ich schiele immer wieder zu dem Lastwagen hinüber und suche nach dem Weißen, den ich vorhin auf dem Beifahrersitz gesehen zu haben glaube. Aber entweder habe ich mich getäuscht oder der Mann zeigt sich absichtlich nicht.
Wir werden abgetastet, die Pistolen von Verasinghe und dessen Kollege beschlagnahmt. Hinter dem Militärlaster wird aufgeregt diskutiert, ich glaube, dabei auch Hugentoblers Stimme wahrzunehmen. Dann das Knistern von Funkgeräten – und ein Schuss.
Bitte nicht, ich will noch nicht sterben! Nicht auf einer verfluchten Teeplantage! Wo sonst? Egal, finde ich. Hauptsache nicht hier! Und vor allem nicht jetzt.
Der Schuss ging aus Versehen los, stellt sich heraus. Ein junger Soldat entschuldigt sich bei seinem Kameraden und mit einem um Verständnis heischenden Blick irgendwie auch bei uns. Endlich kommt ein Offizier und gibt mir missmutig meinen Pass zurück. Wortlos bedeutet er uns weiterzufahren. Mit ruhigen Bewegungen steigen wir in den Jeep, und nachdem die Nagelbretter aus dem Weg geräumt sind und Verasinghe den Motor angelassen hat, rollen wir ganz behutsam aus dem Blickfeld der Soldaten. Niemand von uns schaut zurück.
Verasinghes Kollege flüstert etwas.
»Ja, hätte wohl ein Verkehrsunfall werden sollen«, gibt ihm Verasinghe zu meinem Entsetzen recht.
»Bist du dir da sicher?«, frage ich ihn ungläubig.
»Du hast die Kurve hinter den Nagelbrettern gesehen«, antwortet er mir. »Oder?«
Immer noch schockiert stellen wir unseren Jeep fünf Minuten später vor die Einfahrt zu Müllers Reich. Wir lassen uns ein paar Sekunden Zeit mit dem Aussteigen, sehen letztlich aber keine Alternative dazu. Die Straße ist hier zu Ende und eine andere als die, auf der wir gekommen sind, gibt es nicht.
Ich spüre, dass wir beobachtet werden, rede mir aber ein, dass man uns längst hätte erschießen können, wenn man tatsächlich gewollt hätte.
»Let’s go«, ermuntert mich Verasinghe und steigt entschlossen aus dem Wagen.
Wir tun es ihm nach und schauen ehrfürchtig zu der Villa auf, die über unseren Köpfen in den Himmel ragt. War Trüebs Residenz in Unawatuna beeindruckend, so ist Müllers Kolonialvilla schlichtweg monumental. Das Gebäude ist furchterregend groß: Allein die in dezentem Ocker gestrichene Veranda weist die Fläche zweier Tennisplätze auf. Dahinter erhebt sich dunkel ein mehrstöckiger Bau aus Holz, der mit mächtigen Balkonen bestückt ist. Auf dem Giebel flattert die sri-lankische Fahne mit ihrem schwertschwingenden Löwen im Wind.
Ich komme mir sehr, sehr klein vor. Wie ein schäbiger Winzling, der froh sein muss, dass ihm aus einer der oberen Etagen kein Küchenabfall auf den Kopf geworfen wird.
Ein rund zwei Meter hoher stabiler Eisenzaun umgibt das Gelände.
»Seht, da!«, fuchtelt Verasinghe plötzlich aufgeregt herum und deutet auf ein paar dichte Büsche an einem Hang neben dem Haus.
Erst erkenne ich gar nichts, aber dann zucke ich zusammen.
Löwen. Drei Löwen liegen dort im Schatten, ganz ohne Zweifel, ein Männchen und zwei Weibchen.
Ich will hier weg, zum Teufel! Ich will nach Hause.
»Willkommen!«, dringt plötzlich eine Stimme durch meine Angst.
Der Mann, der die Treppe herunter auf uns zukommt und uns freundlich die Hand zum Gruß entgegenstreckt, ist kein kleiner Lakai, sondern ohne Zweifel Egon Müller selbst. Eher klein, rundlich, mit einem rostroten Bärtchen und einem im Grunde ziemlich
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