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Staub

Staub

Titel: Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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klar, dass du wahrscheinlich kein großes Bedürfnis hast, mir dein Verhalten von gestern Nacht in allen Einzelheiten zu schildern, doch du wirst nicht darum herumkommen … Ich bin nicht so leicht zu schockieren«, fügt sie hinzu. Angesichts dessen, was sie beide schon zusammen erlebt haben, müsste diese Bemerkung eigentlich komisch sein. Aber im Moment ist ihnen nicht zum Lachen zumute.
    »Ich weiß nicht, ob ich das schaffe.« Er wendet den Blick ab.
    »Meine Phantasien sind viel schlimmer als alles, was du vielleicht wirklich verbrochen haben könntest«, erwidert sie in leisem und sachlichem Ton.
    »Das stimmt wohl. Schließlich bist du kein Küken mehr.«
    »So könnte man es ausdrücken«, gibt sie zurück. »Und falls es dich beruhigt: Ich habe im Leben auch die eine oder andere Erfahrung gemacht.« Sie schmunzelt leicht. »Selbst wenn du dir das nur schwer vorstellen kannst.«
    30
    Es ist für ihn keineswegs schwer, sich das vorzustellen, obwohl er sich in all den Jahren lieber nicht ausgemalt hat, was sie mit anderen Männern tut. Insbesondere mit Benton.
    Marino starrt an ihr vorbei aus dem Fenster. Sein schlichtes Einzelzimmer befindet sich im zweiten Stock, sodass er die Straße nicht sehen kann, nur den grauen Himmel über ihr. Er fühlt sich innerlich ganz klein und hat das kindliche Bedürfnis, sich unter der Bettdecke zu verstecken, einzuschlafen und darauf zu hoffen, dass sich die Angelegenheit beim Aufwachen als böser Traum entpuppt. Er möchte aufwachen und feststellen, dass er mit Scarpetta hier in Richmond ist, um einen Fall aufzuklären, und dass sonst überhaupt nichts passiert ist. Komisch, wie oft er in einem Hotelzimmer die Augen aufgeschlagen und sich gewünscht hat, sie möge da sein und ihn ansehen. Und nun ist es so weit. Er überlegt, wo er beginnen soll. Dann ergreift wieder das kindliche Bedürfnis Besitz von ihm, und seine Stimme erstirbt.
    Sie bleibt irgendwo zwischen Herz und Mund stecken wie ein Glühwürmchen, das in der Dunkelheit erlischt.
    Seit Jahren schon, eigentlich seit ihrer ersten Begegnung, macht er sich – wenn er ehrlich mit sich ist – ausführlich Gedanken über sie. Seine erotischen Phantasien ranken sich um den ausgeklügeltsten, kreativsten und unbeschreiblichsten Sex, den er je hatte, und er will auf keinen Fall, dass sie je davon erfährt. Niemals würde er ihr dieses Geheimnis anvertrauen, und er hat nie die Hoffnung aufgegeben, dass er vielleicht doch noch eines Tages bei ihr landen könnte. Aber wenn er jetzt anfängt, über seine Erinnerungen zu sprechen, erhält sie möglicherweise einen Einblick, wie es mit ihm sein könnte. Und das würde ihm sämtliche Chancen verderben. Außerdem würde es den Tod seiner Phantasien bedeuten, die sich dann ein für allemal verflüchtigen würden. Also überlegt er, ob er lügen soll.
    »Fangen wir bei deiner Ankunft im Polizeiclub an«, sagt Scarpetta und fixiert ihn mit ihrem Blick. »Wann bist du dort eingetrudelt?«
    Gut. Der Polizeiclub ist kein Tabuthema. »Gegen sieben«, erwidert Marino. »Ich habe mich dort mit Eise getroffen. Dann kam noch Browning, und wir haben was gegessen.«
    »Einzelheiten«, bohrt sie nach, ohne sich in ihrem Sessel zu rühren. Ihre Augen blicken ihn weiter unverwandt an. »Was genau hast du bestellt, und was hattest du den restlichen Tag über gegessen?«
    »Ich dachte, wir wollten beim Polizeiclub anfangen und nicht damit, was ich davor gegessen hatte.«
    »Hast du gestern gefrühstückt?«, hakt sie beharrlich und geduldig nach. Dieser Tonfall ist bei ihr sonst für Menschen reserviert, die zurückbleiben, nachdem jemand durch Zufall, höhere Gewalt oder Mord ums Leben gekommen ist.
    »Ich habe in meinem Zimmer einen Kaffee getrunken«, antwortet er.
    »Einen Imbiss? Mittagessen?«
    »Nein.«
    »Darüber halte ich dir ein andermal einen Vortrag«, meint sie.
    »Also den ganzen Tag nichts gegessen. Nur Kaffee. Und dann bist du um sieben in den Polizeiclub gegangen. Hast du auf nüchternen Magen getrunken?«
    »Ich habe mir ein paar Biere genehmigt. Danach habe ich ein Steak mit Salat gegessen.«
    »Keine Kartoffeln oder Brot? Keine Kohlenhydrate? Hast du dich an deine Diät gehalten?«
    »Mh-hm. So etwa die einzige gute Angewohnheit, von der ich gestern Nacht nicht abgewichen bin.«
    Obwohl sie nichts darauf erwidert, ahnt er, dass sie seine nahezu kohlenhydratfreie Diät für keine gute Angewohnheit hält. Aber sie wird ihn jetzt mit einem Vortrag über seine Essgewohnheiten

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