Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Staub

Staub

Titel: Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
Vom Netzwerk:
Pappkartons unter dem Bett hervor. Sie macht sie auf und blättert stapelweise alte Fachzeitschriften für die Bestattungsbranche durch. Es sind verschiedene Monatszeitschriften mit Abbildungen von Särgen, Leichenwäsche, Urnen und Gerätschaften zum Einbalsamieren. Die Zeitschriften sind mindestens acht Jahre alt. Der Adressaufkleber wurde bei allen, die sie bis jetzt in den Händen hatte, abgelöst, sodass nur ein paar Buchstaben hier und der Teil einer Postleitzahl da sichtbar sind, was im Moment nicht genügt, um ihre Fragen zu beantworten.
    In der Hoffnung auf einen vollständigen Adressaufkleber durchsucht sie einen Karton nach dem anderen und betrachtet jede Zeitschrift. Schließlich entdeckt sie ein paar Exemplare ganz unten in einem Karton. Nachdem sie den Aufkleber gelesen hat, bleibt sie auf dem Boden sitzen, starrt auf die Zeitschriften und fragt sich, ob sie nicht mehr ganz richtig im Kopf ist oder ob es eine logische Erklärung dafür gibt. Dann ruft sie laut nach Marino. Sie schreit seinen Namen, während sie aufspringt und auf eine Zeitschrift blickt, deren Titelbild einen Sarg in Form eines Rennwagens zeigt.
    »Marino! Wo bist du?« Sie tritt auf den Flur, sieht sich um und lauscht. Ihr Atem geht stoßweise, und das Herz klopft ihr bis zum Hals. »Verdammt!«, murmelt sie und eilt den Flur entlang. »Wo zum Teufel steckst du, Marino?«
    Er steht auf der Veranda und telefoniert. Als ihre Blicke sich treffen, erkennt sie, dass auch er neue Informationen hat. Sie hält ihm die Zeitschrift dicht unter die Nase. »Ja, wir sind da«, sagt er ins Telefon. »Ich habe das Gefühl, dass wir die ganze Nacht hier verbringen werden.«
    Er beendet das Gespräch. In seinen Augen malt sich der undurchdringliche Ausdruck, den sie schon früher bei ihm gesehen hat, wenn er seine Beute wittert und die Jagd beginnt. Dann kann ihn nichts und niemand mehr aufhalten. Er nimmt ihr die Zeitschrift aus der Hand und mustert sie schweigend. »Browning ist unterwegs hierher«, verkündet er. »Im Moment besorgt er sich bei Gericht einen Durchsuchungsbefehl.« Er dreht die Zeitschrift um und liest den Adressaufkleber auf der Rückseite. »Scheiße!«, stößt er hervor. »Dein altes Büro. Gütiger Himmel.«
    »Ich weiß nicht, was das zu bedeuten hat«, sagt sie, während ein kalter Nieselregen auf das alte Schieferdach fällt. »Außer es war einer meiner früheren Mitarbeiter.«
    »Oder jemand, der einen deiner früheren Mitarbeiter kannte. Das ist die Adresse des Büros des Chefpathologen.« Er schaut noch einmal hin. »Ja, eindeutig. Nicht die der Labors. Juni 1996. Also während deiner Amtszeit. Das bedeutet, dass dein Büro diese Zeitschrift abonniert hatte.« Er kehrt zurück ins Wohnzimmer und blättert sie im Schein der Tischlampe durch. »Dann musst du doch wissen, wer sie bestellt hatte.«
    »Ich habe niemals ein solches Abonnement genehmigt«, erwidert sie. »Eine Zeitschrift für Bestattungsunternehmer. Auf gar keinen Fall. Entweder hat der Betreffende es ohne meine Erlaubnis getan, oder er hat das Abonnement aus eigener Tasche bezahlt.«
    »Hast du einen Verdacht?« Marino legt die Zeitschrift neben die Lampe auf den staubigen Tisch.
    Ihr fällt plötzlich der ruhige junge Mann aus der Anatomie ein. Der schüchterne Bursche mit dem roten Haar, der in Frührente gegangen ist. Seit seinem Abschied hat sie kein einziges Mal mehr an ihn gedacht. Es gab ja auch keinen Grund dazu.
    »Mir ist da jemand eingefallen«, sagt sie bedrückt. »Er heißt Edgar Allan Pogue.«
    41
    In der lachsfarbenen Villa ist niemand zu Hause, und er muss sich der traurigen Wahrheit stellen, dass sein Plan aus irgendeinem Grund gescheitert ist. Eine andere Möglichkeit gibt es nicht, denn sonst würde es jetzt überall hier von Leuten wimmeln. Zumindest müssten Hinweise darauf zu erkennen sein, dass sich eine zuvor vorhandene Menschenmenge inzwischen verlaufen hat. Absperrband der Polizei zum Beispiel. Außerdem wäre bestimmt etwas darüber in den Nachrichten gekommen. Aber als er langsam an der Villa des großen Fischs vorbeifährt, sieht der Briefkasten unbeschädigt aus. Der kleine Signalwimpel aus Metall ist heruntergeklappt, und nichts deutet darauf hin, dass jemand zu Hause sein könnte.
    Er kurvt um den Block, biegt wieder in den Highway A1A ein und kann der Versuchung nicht widerstehen, noch einmal vorbeizufahren. Dabei denkt er an den Signalwimpel am Briefkasten. Er war hochgeklappt, als er die Große Orange in den Briefkasten

Weitere Kostenlose Bücher