Staub
von Ihnen, Junius«, sagt sie. »Vielen Dank. Nein, Sie haben mir noch nie eines geschenkt.«
40
Da es Scarpetta einfach nicht gelingen will, das Problem aus einem Blickwinkel anzugehen, der Klarheit schafft, hört sie auf, über das lackierte Aluminium und den Knochenstaub nachzugrübeln. Sie befürchtet, vor Erschöpfung zusammenzubrechen, wenn sie weiter an rote, weiße und blaue Farbsplitter und kaum wahrzunehmende Partikel vermutlich menschlicher Knochen denkt.
Es ist früher Nachmittag. Das Wetter ist grau und die Luft so schwer, dass sie in sich zusammenzusacken droht wie eine vom Regen durchweichte Zimmerdecke. Als Scarpetta und Marino aus dem Geländewagen steigen und die Türen zufallen lassen, klingt das Geräusch gedämpft. Ihre Hoffnung schwindet, als sie kein Licht in dem Backsteinhaus mit dem mit Moos bewachsenen Dach sieht, das jenseits des Gartenzauns der Paulssons steht.
»Bist du sicher, dass er kommen wollte?«, fragt Scarpetta.
»Er hat es jedenfalls versprochen. Außerdem weiß ich, wo der Schlüssel liegt. Er hat es mir gesagt, also ist es offenbar kein Staatsgeheimnis.«
»Wir werden nicht in dieses Haus einbrechen, falls du das damit meinst«, protestiert sie und betrachtet den geborstenen Gartenweg, der zu der Sturmtür aus Aluminium und der Holztür dahinter führt. Die Fenster auf beiden Seiten sind dunkel. Das Haus ist klein und alt und wirkt auf traurige Weise vernachlässigt. Es wird von vorwitzigen Magnolien, jahrelang nicht mehr gestutzten Dornenbüschen und Nadelbäumen bedrängt, die so hoch und dicht sind, dass ihre Nadeln und Zapfen in Schichten die Rinnsteine verstopfen und die kläglichen Überreste des Rasens unter sich ersticken.
»Ich habe gar nichts gemeint«, entgegnet Marino und blickt die ruhige Straße entlang. »Ich wollte dir nur mitteilen, dass er mir gesagt hat, wo der Schlüssel ist, und auch, dass das Haus keine Alarmanlage hat. Warum, glaubst du, könnte er mir das wohl verraten haben?«
»Das spielt keine Rolle«, gibt sie zurück, obwohl sie weiß, dass es das sehr wohl tut, denn sie ahnt bereits, was sie erwartet.
Dem Makler ist es offenbar zu lästig, persönlich zu erscheinen. Vielleicht hat er dieses Objekt ja schon innerlich abgeschrieben. Und deshalb hat er es ihnen mehr oder weniger freigestellt, sich selbst im Haus umzusehen. Scarpetta steckt die Hände in die Manteltaschen. Die Tatorttasche hat sie über der Schulter hängen. Ohne die Tüten mit Erde, die inzwischen in der Kriminaltechnik getrocknet werden, ist sie erheblich leichter.
»Ich werfe wenigstens mal einen Blick durch die Fenster.« Marino setzt sich, den Gartenweg entlang, in Bewegung. Er geht langsam und passt auf, wo er hintritt. »Kommst du mit, oder bleibst du am Auto?«, fragt er, ohne sich umzudrehen.
Am Anfang ihrer Suche nach Informationen, von denen sie inzwischen einige wenige besitzen, stand ein Blick ins örtliche Telefonbuch. Dort hat Marino den Immobilienmakler gefunden, der das Haus offenbar seit über einem Jahr keinem Interessenten mehr gezeigt hat und dem dieser Umstand herzlich gleichgültig zu sein scheint. Besitzerin ist eine Frau namens Bernice Towle. Sie lebt in South Carolina und weigert sich, auch nur einen Penny in die Instandsetzung des Hauses zu investieren oder mit dem Preis weit genug herunterzugehen, sodass ein Verkauf in den Bereich des Möglichen rückt. Laut Makler wird das Gebäude nur benutzt, wenn Mrs. Towle es ihren Gästen überlässt, und niemand weiß, wie oft – oder ob überhaupt – das vorkommt. Die Polizei von Richmond hat sich nicht um das Haus oder seine Vorgeschichte gekümmert, weil es unbewohnt und deshalb im Fall Gilly Paulsson angeblich nicht relevant ist. Aus demselben Grund hatte auch das FBI kein Interesse am verfallenen Gebäude von Mrs. Towle. Marino und Scarpetta hingegen sind sehr neugierig darauf, denn in einem Mordfall ist alles von Bedeutung.
Scarpetta schlendert auf das Haus zu. Der Beton unter ihren Füßen ist nach dem Regen mit einer glitschigen grünen Schleimschicht bedeckt. Wenn es ihr eigener Gartenweg wäre, würde sie ihn mit Bleiche schrubben, denkt sie, während sie Marino folgt. Er steht auf der kleinen, eingesackten Veranda und hält sich die Hände seitlich an die Augen, um durch ein Fenster zu spähen.
»Wenn wir hier schon herumschnüffeln, können wir uns genauso gut gleich strafbar machen«, sagt sie. »Wo also ist der Schlüssel?«
»Siehst du den Blumentopf da unter dem Busch?« Er weist mit
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