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Staub

Staub

Titel: Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Cornwell
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den Bildschirm ausfüllt. Dann sieht er den Hals eines Mannes und schließlich Dr. Paulssons strenges Gesicht. Er begrüßt Lucy, weicht zurück und fordert sie auf, sich zu setzen. Als sie sich bewegt, gleitet die Linse der Stiftkamera durch das kleine, nüchtern eingerichtete Behandlungszimmer und zu einem mit weißem Papier bedeckten Untersuchungstisch.
    »Das ist das erste Formular. Und hier das zweite, das ich ausgefüllt habe«, sagt Lucy und reicht ihm einige Blätter. »Tut mir Leid. Hoffentlich habe ich Ihr System nicht durcheinander gebracht. Ich komme einfach nicht klar mit Formularen. Als die durchgenommen wurden, habe ich wohl in der Schule gefehlt.« Sie lacht nervös, während Dr. Paulsson die beiden Formulare mit ernster Miene studiert.
    »Laut und deutlich«, spricht Benton ins Mikrofon.
    Auf dem Bildschirm erscheint ihre Hand, die sie vor der Stiftkamera bewegt, um ihm mitzuteilen, dass sie ihn durch den winzigen Empfänger im Ohr verstehen kann.
    »Waren Sie auf dem College, Miss Winston?«, erkundigt sich Dr. Paulsson.
    »Nein, Sir. Eigentlich wollte ich, aber …«
    »Das ist schade«, fällt er ihr, ohne zu lächeln, ins Wort. Er trägt eine kleine randlose Brille und ist sehr attraktiv. Einige würden ihn sogar als schönen Mann bezeichnen. Er ist nur unwesentlich größer als Lucy, etwa eins fünfundsiebzig oder eins achtundsiebzig, und schlank und macht einen muskulösen Eindruck. Allerdings kann Benton nur das sehen, was die Stiftkamera in der Brusttasche von Lucys Fliegeroverall von ihm zeigt.
    »Tja, um einen Helikopter zu fliegen, brauchte ich nicht aufs College«, erwidert Lucy mit unsicherer Stimme. Sie schauspielert großartig und mimt glaubhaft eine eingeschüchterte, wenig selbstbewusste Frau, die mit dem Leben nicht zurechtkommt.
    »Meine Assistentin hat mir gesagt, Sie hätten persönliche Probleme«, meint Dr. Paulsson, ohne den Blick von den Formularen zu heben.
    »Ein bisschen.«
    »Sagen Sie mir, was los ist«, fordert er sie auf.
    »Ach, die üblichen Schwierigkeiten mit meinem Freund«, erwidert sie nervös und verlegen. »Eigentlich wollten wir heiraten, aber dann hat es doch nicht geklappt. Sie können sich das bei meinen Arbeitszeiten sicher denken. Im letzten halben Jahr war ich insgesamt bestimmt fünf Monate unterwegs.«
    »Also wollte Ihr Freund Ihre ständige Abwesenheit nicht mehr tolerieren und hat sich aus dem Staub gemacht«, stellt Dr. Paulsson fest und legt die Formulare auf einen Tisch, auf dem auch ein Computer steht. Lucy stellt sich geschickt so hin, dass die als Stift getarnte Videokamera auf ihn gerichtet ist.
    »Sehr gut«, sendet Benton ihr mit einem Blick auf die abgeschlossene Tür seines Arbeitszimmers. Obwohl Henri einen Spaziergang macht, will er nicht riskieren, dass sie einfach hereinplatzt. Sie begreift nicht, was Grenzen bedeuten, weil es in ihrem Denken so etwas nicht gibt.
    »Wir haben uns getrennt«, erwidert Lucy. »Eigentlich geht es mir gut. Aber dann kam eines zum anderen … Es war alles recht stressig, aber jetzt geht es wieder.«
    »Und deshalb haben Sie mit der flugärztlichen Untersuchung bis zur letzten Minute gewartet?«, fragt Dr. Paulsson und kommt näher.
    »Ja, wahrscheinlich.«
    »Das war nicht sehr klug von Ihnen. Ohne Bescheinigung Ihrer Flugtauglichkeit dürfen Sie nicht fliegen. Im ganzen Land gibt es Flugärzte, Sie hätten sich früher darum kümmern müssen. Was wäre gewesen, wenn ich heute keine Zeit für Sie gehabt hätte? Heute Morgen habe ich dem Sohn eines Freundes einen Nottermin gegeben und wollte mir eigentlich den restlichen Tag freinehmen. Aber für Sie habe ich eine Ausnahme gemacht. Was wäre, wenn ich nein gesagt hätte? Ihre Bescheinigung läuft morgen aus, vorausgesetzt, Sie haben das richtige Datum eingetragen.«
    »Ja, Sir. Das war sehr dumm von mir. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar …«
    »Ich bin sehr unter Zeitdruck. Also bringen wir die Sache so schnell wie möglich hinter uns.« Er nimmt die Blutdruckmanschette vom Tisch, legt sie ihr um den Oberarm und beginnt zu pumpen. »Sie sind ziemlich muskulös. Treiben Sie viel Sport?«
    »Ich gebe mir Mühe«, erwidert sie mit zitternder Stimme, während seine Hand ihre Brust streift. Benton kann den Übergriff förmlich spüren, obwohl er ihn nur auf seinem Laptop im mehr als fünfzehnhundert Kilometer entfernten Aspen sieht. Niemand würde Benton eine Reaktion anmerken, ein Funkeln in seinen Augen oder eine Anspannung der Lippen wahrnehmen.

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