Staub
identifizieren kann.
Als sie ins Behandlungszimmer zurückkehrt, redet sie sich ein, dass Gefahr droht. Ihr Puls reagiert entsprechend.
»Ihre Lymphknoten scheinen leicht vergrößert zu sein«, verkündet Dr. Paulsson, und sie weiß, dass er lügt. »Wann waren Sie das letzte Mal … Aber Sie sagten ja selbst, dass Sie nicht gern zum Arzt gehen, und Sie haben sich vermutlich schon seit einer Weile nicht mehr gründlich untersuchen lassen. Darf ich annehmen, dass Ihr letzter Bluttest auch schon eine Zeit her ist?«
»Sie sind vergrößert?«, erwidert Lucy in dem panischen Tonfall, den er offenbar von ihr erwartet.
»Haben Sie sich in letzter Zeit wohl gefühlt? Keine Erschöpfungszustände? Kein Fieber? Überhaupt nichts dergleichen?« Wieder nähert er sich, um ihr das Otoskop ins linke Ohr zu stecken. Sein Gesicht ist ganz dicht an ihrer Wange.
»Ich war nicht krank«, entgegnet sie, während er ihr auch ins andere Ohr sieht.
Dann legt er das Otoskop weg und greift zum Ophthalmoskop. Als er ihr damit in die Augen späht, ist sein Gesicht nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. Anschließend ist das Stethoskop dran. Lucy versucht sich einzureden, dass sie Angst hat, obwohl sie eigentlich eher wütend ist. Genau genommen fürchtet sie sich überhaupt nicht, als sie auf der Kante des Untersuchungstisches sitzt. Das Papier knistert leise, wenn sie sich bewegt.
»Wenn Sie jetzt bitte Ihren Overall aufmachen und bis zur Taille hinunterziehen könnten«, fordert er sie in unverändert sachlichem Ton auf.
Lucy blickt ihn an. »Ich glaube, ich muss noch mal aufs Klo … Tut mir Leid.«
»Beeilen Sie sich«, antwortet er ungeduldig. »Ich habe nicht ewig Zeit.«
Lucy geht zur Toilette. Eine knappe Minute später kommt sie, gefolgt vom Spülgeräusch und mit dem Empfänger im Ohr, wieder heraus.
»Verzeihung«, entschuldigt sie sich noch einmal. »Ich habe vor dem Termin eine große Cola light getrunken. War wohl ein Fehler.«
»Ziehen Sie den Overall hinunter«, weist er sie an.
Sie zögert. Jetzt ist der Moment da, aber sie weiß, was sie tun muss. Als sie ihren Overall öffnet und ihn bis zur Taille herunterrollt, zupft sie den Stoff so zurecht, dass sich der Stift im richtigen Winkel befindet und weiter durch einen Draht mit der Funk-Schnittstelle verbunden ist, die unsichtbar an der Innenseite des Kleidungsstücks klebt.
»Nicht so senkrecht«, hört sie Bentons Stimme im Ohr. »Etwa zehn Grad nach unten.«
Unauffällig rückt sie den oberen Rand des Overalls zurecht, der um ihre Taille liegt.
»Den BH auch«, sagt Dr. Paulsson.
»Muss ich den wirklich ausziehen?«, fragt Lucy ängstlich und verschüchtert. »Das habe ich bis jetzt noch nie …«
»Miss Winston. Ich habe es wirklich eilig. Bitte.« Er steckt sich die Ohrstöpsel des Stethoskops in die Ohren und nähert sich mit strenger Miene, um ihr Herz und ihre Lungen abzuhören. Sie streift den Sport-BH über den Kopf und sitzt reglos und wie erstarrt auf dem Untersuchungstisch.
Er drückt ihr das Stethoskop erst unter die eine, dann unter die andere Brust und fasst sie dabei an. Lucy verharrt stocksteif. Sie atmet schnell, und ihr Herz klopft rasend vor Wut. Doch sie weiß, dass er es als Furcht deuten wird, und fragt sich, was für Bilder Benton wohl empfängt. Vorsichtig zupft sie den Overall um ihre Taille zurecht und positioniert die Kamera, während Dr. Paulsson sie berührt und so tut, als interessiere ihn das, was er sieht und betastet, nicht im Geringsten.
»Zehn Grad abwärts und dann nach rechts«, weist Benton sie an.
Unauffällig schiebt sie den Stift zurecht. Dr. Paulsson beugt sich vor und lässt das Stethoskop über ihren Rücken gleiten. »Tief einatmen.« Er ist sehr geschickt darin, seine Arbeit zu machen und sie gleichzeitig anzufassen. Es gelingt ihm sogar, die Hand um ihre Brust zu legen, während er sich gegen sie presst. »Haben Sie irgendwelche Narben oder Muttermale? Ich sehe nämlich keine.« Prüfend streicht er mit den Händen über ihren Körper.
»Nein, Sir«, erwidert sie.
»Eigentlich müssten Sie welche haben. Eine Blinddarmoperation vielleicht?«
»Nein.«
»Es reicht«, sagt Benton in Lucys Ohr, und sie kann aus seinem ruhigen Tonfall den Zorn heraushören.
Aber es reicht noch nicht.
»Ich möchte jetzt, dass Sie aufstehen und auf einem Bein balancieren«, meint Dr. Paulsson.
»Kann ich mich vorher anziehen?«
»Noch nicht.«
»Es reicht«, wiederholt Benton.
»Stehen Sie auf!«, befiehlt Dr.
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