Staub
es auch passt?«, fragt er in den von Geräuschen hallenden, überfüllten, mit Dichtmasse isolierten Raum hinein, in dem vier blutige, nasse Stahltische, Röntgenaufnahmen von Projektilen und Knochen auf eingeschalteten Leuchttischen, Waschbecken und Schränke aus Stahl sowie lange Arbeitsflächen voll mit Papieren, persönlicher Habe und Streifen von Computer-Klebeetiketten für Schachteln und Teströhrchen wild durcheinander liegen und stehen.
Die anderen Ärzte, die Studenten, die Soldaten und die Toten des Tages haben Dr. Jack Fielding, dem zweiten Mann nach dem Chef, nichts zu sagen. Scarpetta ist schockiert, angewidert und traut ihren Augen nicht. Ihre früher so beispielhafte Behörde ist offenbar völlig aus den Fugen geraten. Die Mitarbeiter haben sich nicht mehr im Griff. Sie wirft einen Blick auf den toten Traktorfahrer, der halb entkleidet und auf einem mit Blut befleckten Laken auf der Bahre liegt. Dann betrachtet sie das Gebiss in Fieldings beschmierter behandschuhter Hand.
»Reinigen Sie das Ding, bevor Sie es ihr in den Mund stecken«, kann sie sich nicht verkneifen zu bemerken, als Fielding dem Soldaten das verwechselte Gebiss reicht. »Sie wollen schließlich nicht, dass die DNS einer anderen Person in ihren Mund gerät«, wendet sie sich an den Soldaten. »Auch wenn es sich nicht um einen Todesfall unter verdächtigen Umständen handelt. Also reinigen Sie ihr Gebiss, sein Gebiss und alle anderen Gebisse.«
Sie reißt sich die Handschuhe von den Händen und wirft sie in den leuchtend orangefarbenen Behälter für biologisch kontaminierte Abfälle. Während sie davongeht, fragt sie sich, wo Marino steckt, und sie hört, wie der Soldat in Violett etwas sagt. Offenbar interessiert ihn, wer genau Scarpetta ist, was sie hier will und was das gerade sollte.
»Sie war früher hier der Chef«, erklärt Fielding, fügt allerdings nicht hinzu, dass damals in der Gerichtsmedizin ein anderer Wind wehte.
»Ach, du Scheiße!«, ruft der Soldat aus.
Als Scarpetta mit dem Ellenbogen auf einen großen Knopf an der Wand drückt, schwingen die Flügel einer Edelstahltür weit auf. Sie durchquert den Umkleideraum, vorbei an Schränken voller OP-Anzüge und Kittel, und dann den Damenwaschraum mit seinen Toiletten, Waschbecken und den Neonlichtern, die den Spiegel zum Feind machen. Als sie stehen bleibt, um sich die Hände zu waschen, bemerkt sie das ordentlich geschriebene Schild, das sie selbst dort aufgehängt hat und das die Mitarbeiter daran erinnert, das Leichenschauhaus nicht in denselben Schuhen zu verlassen, die sie drinnen getragen haben. Verteilen Sie keine gefährlichen Keime auf den Teppichen im Flur, hat sie ihren Untergebenen immer wieder gepredigt, aber sie ist sicher, dass sich inzwischen niemand mehr an diese Anweisung hält. Sie zieht die Schuhe aus, reinigt die Sohlen mit antibakterieller Seife und heißem Wasser und trocknet sie mit Papiertüchern ab, bevor sie durch eine andere Schwingtür auf den nicht sehr sterilen, mit einem blauen Teppich ausgelegten Korridor tritt.
Gleich gegenüber vom Damenwaschraum befinden sich die verglasten Büroräume des Chefpathologen. Zumindest hat Dr. Marcus sich die Mühe gemacht, etwas an der Inneneinrichtung zu verändern. Das Büro seiner Sekretärin ist mit hübschen auf Kirsche gebeizten Möbeln und Kunstdrucken im Kolonialstil ausgestattet. Ihr Bildschirmschoner zeigt tropische Fische, die unermüdlich über eine leuchtend blaue Fläche schwimmen. Die Sekretärin selbst ist nicht da, und Scarpetta klopft an die Tür des Chefs.
»Ja«, ertönt seine Stimme gedämpft von der anderen Seite.
Sie öffnet die Tür und betritt ihr ehemaliges Büro. Obwohl sie sich absichtlich nicht umsieht, nimmt sie wahr, wie ordentlich und aufgeräumt die Bücherregale und Dr. Marcus’ Schreibtisch sind. Sein Arbeitsplatz wirkt steril. Nur in der restlichen Gerichtsmedizin herrscht Chaos.
»Sie kommen wie gerufen«, sagt Dr. Marcus, der auf einem Drehstuhl aus Leder hinter seinem Schreibtisch sitzt. »Bitte nehmen Sie Platz. Ich möchte Ihnen etwas über Gilly Paulsson erzählen, bevor Sie sich die Leiche ansehen.«
»Dr. Marcus, ich weiß, dass ich hier nicht mehr zuständig bin«, beginnt Scarpetta. »Und ich möchte mich auch nicht aufdrängen, aber ich mache mir Sorgen.«
»Das brauchen Sie nicht.« Er betrachtet sie mit schmalen, eiskalten Augen. »Schließlich habe ich Sie nicht als Unternehmensberaterin hergeholt.« Er verschränkt die Hände auf der
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