Stauffenbergs Gefaehrten
zeitlebens Bernstorffs Lebensanker blieb, auch wenn sie seine tiefen Gefühle nicht erwiderte.
Die gebildete Frau, die sich für Kunst und Politik gleichermaÃen interessierte, stärkte seinen Ehrgeiz, wusch ihm aber, wenn nötig, auch den Kopf. In zahlreichen Briefen â von Bernstorff sind rund 2000 erhalten â tauschten sie sich aus. Angesichts der vom Reichstag beschlossenen Wehrvorlage, die eine umfangreiche Aufrüstung des Heeres vorsah, schrieb er ihr 1913: »Für Leute von meinen Ansichten wird es in unserer Politik bald zwingende Notwendigkeit werden, Sozialist zu sein.« Ein Jahr später bezeichnete Bernstorff den Krieg, für den er keinerlei Begeisterung empfand, »als Schreckgespenst seines Lebens«. Als Reaktion auf einen Brief seines Onkels Johann-Heinrich, der als Botschafter in Washington versuchte, die USA vom Eintritt in den Krieg abzuhalten, analysierte er1915 , dass die »Demokratisierung unseres Volkes« unausweichlich sei: mit einer neuen, von breiten Massen getragenen Volkspartei, denn die etablierten seien nur noch von ihren Interessen gelenkt. Der 25-Jährige träumte von einer liberalen Partei, die sich vom alldeutschen Nationalismus abgrenzte: »Es gibt Augenblicke, wo ich mich frage, ob ich im Staatsdienst verbleiben kann, wenn das so weitergeht â diese Art von Deutschtum zu vertreten, ist mir unmöglich, und nur der Wunsch, sich nicht herausekeln zu lassen und die Hoffnung auf andere Zeiten hält einen.«
In dieser klaren Haltung zum Krieg und den politischen Ãberlegungen sieht Hartwig Graf von Bernstorff, der heutige Vorsitzende des Bernstorffâschen Familienverbandes, Albrechts frühe »geistige Grundierung« und Reife des Urteils. Der in den Briefen erkennbare Idealismus sei Teil seiner Weltanschauung gewesen, die ein anderer Verwandter so charakterisiert: »Er war ein Aristokrat, der auch Demokrat sein konnte.«
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III.
Obwohl noch junger Diplomat, zeigte Albrecht von Bernstorff in Wien keine Berührungsängste. Er knüpfte Kontakte in die Politik, in die Finanzwelt â etwa zur Bankiersfamilie Rothschild â, aber auch zu Kulturschaffenden wie den Schriftstellern Hugo von Hofmannsthal und Rainer Maria Rilke. Sein berufliches Ziel war jedoch GroÃbritannien. Dorthin konnte Bernstorff im Januar 1923 wechseln. Bevor er seine Stelle als neuer Legationssekretär in London antrat, unterbrach er die diplomatische Laufbahn, um ein Volontariat beim Bankhaus Delbrück, Schickler & Co. in Berlin zu machen. Offenbar wollte er für unsichere Zeiten vorbauen: Kenntnisse im Finanzwesen schienen ihm hilfreich zur Führung des Familienbesitzes.
Seine Aufgabe in London gestaltete sich schwierig. So kurz nach dem Krieg war der Hass auf alles Deutsche in GroÃbritannien noch weit verbreitet. Propaganda für die eigene Regierung zu machen war Bernstorff aber zuwider. Der inzwischen 33-Jährige wollte durch persönliche Kontakte eine Atmosphäre des Vertrauens schaffen. Dabei erwies er sich als äuÃerst geschickt: Er frischte alte Bekanntschaften aus der Oxforder Zeit auf und schloss neue â wie schon in Wien quer durch alle Schichten der »guten« Gesellschaft. Er traf sich auch mit deutschen Journalisten, etwa dem Vertreter von Wolffs Telegraphischem Bureau (W.T.B.), Jonah Ustinov, oder seinem alten Freund Kurt von Stutterheim. Bald gehörte Bernstorff zu den willkommenen Gästen der britischen Elite, weil er als geselliger und gut informierter Gesprächspartner geschätzt wurde. Er genoss das Leben, hatte Affären, meist mit älteren, gebundenen Frauen â und gelegentlich wurden ihm auch Kontakte zu Männern nachgesagt. In Alben hielt er seine Londoner Jahre fest: Er klebte Fotos hinein, Artikel aus englischen und deutschen Blättern, die ihn erwähnten, aber auch Karikaturen über das deutsch-britische Verhältnis und Zeitungsausschnitte von seinen Gala-Auftritten als Diplomat. Bernstorff zeigte sich selbst als charmanter Gastgeber: RegelmäÃig lud er auch nach Stintenburg ein, wo sich bei »houseparties« Freunde und Bekannte aus Deutschland sowie internationale Gäste in zwangloser Runde trafen.
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Der Botschaftsmitarbeiter Albrecht von Bernstorff um 1930 in London und in weiblicher Begleitung
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Dass Ende der zwanziger Jahre in Deutschland nationalistische Gruppierungen immer mehr Zuspruch bekamen, registrierte Bernstorff
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