Stauffenbergs Gefaehrten
zunächst nur aus der Ferne. Das Verständnis für die politische Atmosphäre in der Heimat fehlte ihm. Allerdings beobachtete er mit Sorge, dass sich die deutsch-britischen Beziehungen wieder verschlechterten. Anfang 1931 verfasste er darüber einen ausführlichen Bericht: England habe Vertrauen zu Deutschland gefasst, doch habe man in London kein Verständnis für eine Politik der Extreme. Hitler habe durch viele Interviews diesen Eindruck verfestigt und so dem deutschen Ansehen geschadet. Bernstorff konnte sich jedoch nur schwer vorstellen, dass die Deutschen einer derart aggressiven Politik folgen würden. So setzte er sich weiter für ein Klima der Verständigung ein. Unter anderem hatte er das Rhodes-Stipendium für deutsche Studenten wiederbelebt. Bei einem Auswahlverfahren lernte er 1930 Adam von Trott zu Solz kennen. Bernstorff fand Gefallen an dem jungen Mann, den er fördern wollte. 1931 wechselte Trott zu Solz für zwei Jahre nach Oxford.
Gleichzeitig drückten Bernstorff finanzielle Sorgen. Die wirtschaftliche Lage auf Stintenburg war so prekär, dass er an einen Teilverkauf denken musste. Das wollte er verhindern, aber das Geld war knapp, erst recht, seitdem die Regierung Brüning den Beamten das Gehalt um fast ein Drittel gekürzt hatte. Zudem verlor Bernstorff gröÃere Summen an der Börse. Zahlungskräftige Gönner waren schlieÃlich bereit, einzuspringen, etwa Joseph Hambuechen von seiner Hausbank A.E. Wassermann in Berlin.
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IV.
Anfang 1933 tritt ein, was Albrecht von Bernstorff für unmöglich gehalten hat: Hitler kommt an die Macht. An seine Vertraute Elly von Reventlow schreibt er: »Die Zustände zu Hause will ich lieber nicht kommentieren. Man fragt sich, was schlimmer ist, dieser österreichische Maulheld oder der engstirnige Industrielle Hugenberg â wahrscheinlich der Letztere. Heute muà man sich geradezu schämen, Deutscher zu sein. Das kann ja nicht gut enden.« Immer häufiger schickt er Berichte über den Umschwung der öffentlichen Meinung in GroÃbritannien ins Auswärtige Amt. Bernstorff enthält sich jeder Wertung, aber allein die Häufung und die Eindringlichkeit der Schilderungen lassen erahnen, dass er auch sein eigenes Unbehagen meint. Vor allem das Vorgehen gegen die Juden mache es beinahe unmöglich, so Bernstorff am 6. April1933 , Wohlwollen in der angelsächsischen Bevölkerung zu erhalten. Der erste »Judenboykott« in Deutschland liegt da fünf Tage zurück. Zugleich lehnt er propagandistische Aktionen ab, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Stattdessen empfängt er in der Botschaft Delegationen, die gegen die Verletzung der Rechte der Juden protestieren und mit dem Boykott deutscher Waren drohen. »What an unpleasant job!«, findet Bernstorff. Das stöÃt einem Journalisten des Völkischen Beobachters auf, der sich bei dem NS -AuÃenpolitiker Alfred Rosenberg in Berlin beschwert. Dort hat man Bernstorffs kritische Haltung längst registriert.
Für das herrische Gehabe der NS -Vertreter empfindet der Diplomat nur Abscheu, und er klagt: »Ein Deutschland, das sich in einen Kasernenhof verwandelt, kann ich nicht im Ausland vertreten.« Noch aber tut er es. Bernstorff redet sich ein, dass die »politischen Zumutungen« nicht stark genug seien, um den Job hinzuschmeiÃen. Insgeheim rechnet er mit einem schnellen Niedergang des Regimes. Doch zu seiner Ãberraschung beruft ihn das Auswärtige Amt im Juni 1933 ab. Bernstorff führt das nicht auf seine Haltung zurück, sondern auf Intrigen im Amt. Es geht um die Besetzung attraktiver Posten.
Das Echo in GroÃbritannien ist stark. Der Evening Standard schreibt: »Graf Bernstorff kann mit Befriedigung auf eine Reihe von Leistungen zurückblicken, wie sie in den Annalen der Diplomatie selten sind.« Der Observer ergänzt: »Kein Diplomat unserer Tage hat mehr geleistet als Graf Bernstorff, und keiner war so beliebt wie er ⦠Er kennt sein England, liebt es und hat doch niemals den Deutschen verleugnet.« Manche Kommentare vermuten hinter Bernstorffs Abberufung Anfänge einer politischen Säuberung im diplomatischen Korps. Dies macht ihn indirekt zu einem Opfer und schürt das Misstrauen bei den neuen Machthabern in Berlin in Bezug auf seine Person. Aber auch aus Deutschland kommt Lob. Die Vossische Zeitung bekennt am 28. Juni 1933: »Bernstorff hat mehr als
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