Stauffenbergs Gefaehrten
Hilfe für Verfolgte.
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Albrecht von Bernstorff an Pfingsten 1937 mit Freunden in Stintenburg, rechts sitzend neben ihm: Marion Gräfin Dönhoff
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Die leistet auch Bernstorff für Betroffene aus seinem Bekanntenkreis. Dank der Arbeit in der Bank erregt das kaum Aufsehen. So warnt er Kantorowicz vor der Pogromnacht, versteckt ihn ein paar Tage in seiner Wohnung und hilft bei der Ausreise. Jonah von Ustinov und dessen Familie kommen zeitweise in Stintenburg unter. Bernstorff versucht auch mit seinen Kontakten in die Schweiz der Witwe des Malers Max Liebermann zu helfen. Für ihn selbst ist Flucht noch immer kein Thema. Als Kantorowicz 1939 in London seinen Freund zum Bleiben überreden will, wendet der mit einiger Verzögerung ein: »Und Stintenburg?« Der Familienbesitz also. Die Wurzel. Die Heimat. Kantorowicz versteht das. In einem Erinnerungsband schreibt er 1952: »Stintenburg war ein Teil seiner selbst, sein Rahmen, die Handbreit festen Bodens unter den FüÃen, die der Kosmopolit brauchte.«
Auf seinen Reisen kontaktiert Bernstorff nicht nur ausländische Politiker und Diplomaten, sondern auch deutsche Exilanten, wie den früheren Reichskanzler Joseph Wirth. Unterstützung von auÃen hält er für eine Voraussetzung, soll in Deutschland ein Umsturz gelingen. Dass ausgerechnet GroÃbritannien dies mit seiner Appeasement-Politik verweigert und Deutschen mit Misstrauen begegnet, die sich als Oppositionelle vorstellen, schmerzt Bernstorff sehr. Einst hat er in London für Vertrauen in die deutsche Politik geworben und damit Erfolg gehabt. Nun muss er erkennen, dass die Briten dieses Vertrauen auch dem NS -Regime entgegenbringen.
Doch er lässt sich nicht entmutigen und versucht weiter, über die Verbrechen des Regimes zu informieren. Etwa über die Gewalttaten in Polen nach Kriegsbeginn. Davon zeugen zahlreiche Akten des britischen Foreign Office und Tagebucheinträge des britischen Abgeordneten und Appeasement-Gegners Harold Nicolsen, der Bernstorff zu seinen wichtigsten Informanten zählt. AuÃerdem warnt Bernstorff Anfang 1940 die Briten vor Hitlers Angriffsplänen auf Belgien und Holland. Eine lebensgefährliche Aktion. Doch mit Hitlers ersten Kriegserfolgen erlahmt auch der Widerstandswille in der Wehrmacht. Enttäuscht schildert Bernstorff dem früheren Völkerbundfunktionär Carl Jacob Burckhardt in der Schweiz die Lage: Die Generalität sei zu schwach, um die Initiative zur Erhebung zu ergreifen, und würde wohl erst nach einem gelungenen Attentat jenen beispringen, die zum Kampf gegen Hitler entschlossen seien. Diese Entschlossenen suchen Verbündete. So steht der Solf-Kreis im Kontakt mit Oppositionsgruppen in der Wehrmacht, etwa um Hans Oster von der Abwehr, oder auch durch Bernstorff im Auswärtigen Amt, wo Trott zu Solz arbeitet, der wiederum enge Kontakte zum bürgerlich-zivilen Kreisauer Kreis hat und auch Claus Schenk Graf von Stauffenberg kennt.
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VI.
Als Albrecht von Bernstorff am 20. Mai 1940 von einer Reise aus der Schweiz zurückkehrt, wird er in seiner Wohnung von der Gestapo festgenommen und vom 1. Juni bis zum 27. September im KZ Dachau inhaftiert. Weder die Familie noch Historiker können einen eindeutigen Grund dafür angeben. Auch der Zeitpunkt bleibt rätselhaft. Aber Diktaturen agieren willkürlich. Anklage wird nicht erhoben, der Vorwurf, er habe sich als deutscher Staatsbürger bei Kriegsbeginn nicht unverzüglich in sein Land begeben sowie Devisenvergehen begangen, gilt als vorgeschoben. Dazu kommt eine so undurchsichtige wie pikante private Komponente: Bernstorff hat sich Jahre zuvor mit der Familie seines Bruders Heinrich wegen der finanziellen Probleme von Stintenburg und wegen deren NS -Ãberzeugung überworfen. Nach Heinrichs Tod 1935 verschlechtert sich das Verhältnis zur Schwägerin Ingeborg, als sie eine Liaison mit dem Adjutanten Himmlers beginnt, dem SS -Gruppenführer Karl Wolff. Da Albrecht offiziell keine eigenen Kinder hat, geht man davon aus, dass er den 1929 geborenen Sohn seines Bruders als Erben benennt. Bernstorff ist dazu bereit, doch es fehlt zum Zeitpunkt seiner Festnahme noch die Unterschrift.
In Briefen aus Dachau erkundigt sich Albrecht (Häftling 13.096) immer wieder nach Stintenburg, den Ernteaussichten und dem Wohl seiner Familie und erinnert an die Geldbeträge für Freunde. Offenbar rechnet er mit einer längeren Haft. Zu
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