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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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sein: Stintenburg am malerischen Schaalsee in Mecklenburg, die ehrwürdige Universitätsstadt Oxford und die pulsierende Metropole London. Dazu noch die Reichshauptstadt Berlin, wo der Diplomat und NS -Gegner geboren ist und 1945 im Alter von 55 Jahren sein Leben verliert.
    Diese Plätze haben mit seinen Lebensstationen zu tun, sie stehen aber zugleich für die Eigenschaften eines Mannes, der von Ambivalenzen geprägt ist. Da ist zum einen das robuste Äußere des fast zwei Meter großen, zur Fülle neigenden Bernstorff, das so wenig zu seinem sensiblen Charakter passt. Da ist der charmante Gastgeber, der große Tafelrunden liebt, aber auch immer wieder in Einsamkeit flüchtet. Und da ist der Diplomat, der die Gepflogenheiten auf dem internationalen Parkett beherrscht, aber völlig undiplomatisch, fast leichtsinnig die Konfrontation mit dem NS -Regime sucht.
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II.
    Albrecht von Bernstorff wurde am 6. März 1890 in eine Familie hineingeboren, in der Staatsdienst und Diplomatie zur Tradition gehörten; Militärs waren dagegen in seinem Stammbaum die Ausnahme. Vorfahren von Bernstorff förderten als hohe Beamte in dänischen Diensten die Aufklärung, waren preußische Außenminister und Botschafter wie sein Großvater in London oder ein Onkel in Washington. Diese Einflüsse der Familie führten fast zwangsläufig zu einer Weitsicht im Denken und einer von Toleranz geprägten, liberalen Grundhaltung. Beides wurde verstärkt durch die Mutter, die aus der Schweiz stammte. Die Kindheit von Bernstorff aber bestimmte zunächst ein streng religiöser Alltag im Geist des Pietismus, den sein Vater Andreas den drei Söhnen und zwei Töchtern vorlebte. Halb im Scherz wurde er deshalb »heiliger Andreas« genannt. Als der Vater 1907 starb, wurde Albrecht mit seinen 17 Jahren formell Familienoberhaupt und musste sich – wenn auch mit einem Vormund an der Seite – um den Besitz der Familie kümmern. Dazu gehörte das kleine Gut in Stintenburg auf einer Insel im Schaalsee; hier verbrachte die Familie ihre Ferien. Der Dichter Friedrich Gottlieb Klopstock, ebenfalls in einer pietistischen Familie aufgewachsen und öfter in Stintenburg zu Gast, widmete dem Ort eine Ode, die mit der Zeile beginnt: »Insel der froheren Einsamkeit«.
    Nennenswerten Ertrag warf das Anwesen nicht ab, doch Albrecht von Bernstorff liebte das Gut, hier wurzelte seine Familie. Gleichwohl bedrückte ihn der Gedanke an die Verantwortung, es zu erhalten. Als Landwirt sah er sich nicht, weshalb er froh war, als er 1909 ein Rhodes-Stipendium für die englische Universität Oxford erhielt. Die Idee zu solchen Stipendien ging auf den britischen Kolonialpolitiker Cecil Rhodes zurück, der jungen Menschen aus Großbritannien, den USA und Deutschland die Möglichkeit geben wollte, einander näherzukommen – ein Akt der Völkerverständigung. Am 8. Oktober wurde Bernstorff als Student der Volkswirtschaftslehre am Trinity College immatrikuliert; der zweijährige Aufenthalt in Oxford sollte für ihn zu einer Art Erweckungserlebnis werden. Albrecht von Bernstorff sog die englische Lebensart geradezu auf, er schätzte den Humor, die Geselligkeit, die Freude an der Debatte und teilte die Abscheu gegen Engstirnigkeit und Fanatismus. Bereits in Oxford zeigte sich sein Talent für Kontaktpflege: Bernstorff war Mitbegründer des Hanover Clubs, eines deutsch-britischen Debattierclubs, und verfasste eine Broschüre mit launigen Tipps für nachfolgende Stipendiaten. Im Übrigen war er begeistert vom Prinzip »free competition«, dem fairen Wettbewerb um das geeignete Konzept, das auch in der Politik zu gelten habe. Außerdem imponierte ihm in Großbritannien die konstitutionelle Monarchie.
    Zurück in Deutschland, hatte Bernstorff Probleme, sich wieder einzuleben. Er absolvierte ein kurzes Jura-Studium in Kiel, stürzte sich in ein Abenteuer beim Militär, das er bald krankheitsbedingt abbrach, begann ein Referendariat, um schließlich 1915 als Attaché an der deutschen Botschaft in Wien seine erste diplomatische Stelle anzutreten. Die ganze Zeit über plagten ihn Selbstzweifel, vor allem die Angst, den Ansprüchen der Familie nicht zu genügen, »nicht das richtige Leben zu führen«. Aus diesen trüben Stimmungen holte ihn Elisabeth (Elly) Gräfin von Reventlow heraus, 15 Jahre älter, verheiratet, seine große Liebe, die

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