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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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kommt es nicht. Beim ersten Termin ist Freisler bereits tot, beim zweiten Bernstorff.
    Â 
VII.
    Nach seiner Überführung in die Lehrter Straße bittet Bernstorff Freunde, Verwandte und sogar seine ungeliebte Schwägerin verzweifelt um Hilfe. Der Ton in seinen Briefen, der fordernder, fast unwirsch wird, wenn erbetene Sachen nicht eintreffen oder Fragen unbeantwortet bleiben, verrät, wie zermürbend die Ungewissheit ist. Das zeigt ein Brief vom 15. April 1945 an seine Schwester Anna, die als Diakonisse im Elisabeth-Krankenhaus in Berlin arbeitet. Bernstorff rätselt, welches Schicksal ihm in den kommenden Tagen und Wochen bevorsteht. Bisher habe er im Fall des Heranrückens des Feindes mit einer »Entlassung in letzter Minute« gerechnet. Jetzt sehe es aus, als würde er bleiben, schreibt er. Ein paar Zeilen weiter heißt es, allerdings fürchte er auch, verlegt zu werden. Dann könnte es »arg werden«. Wiederum ein paar Zeilen später notiert Bernstorff voller Sorge: »Vielleicht bleiben wir doch hier, sicher wird der Moment zur Entlassung verpaßt werden, da niemand die Verantwortung übernehmen wird, es rechtzeitig zu tun!« Bernstorff nennt für den Fall, dass er das Kriegsende erlebt, seiner Schwester Namen und Anlaufstellen, die sich für ihn verwenden sollen. Darunter ist auch Winston Churchill; Bernstorff betont, dass er die Umgebung des britischen Premiers gut kenne, und fleht: »Laß mich jedenfalls nicht lange schmoren, bitte!« Andere Passagen, in denen es um den Neffen und das Erbe geht, ähneln wiederum einem Testament: »Bitte erzieht den Neffen zu einem guten Bernstorff, tolerant, weise, kein Nationalist.« Der Brief endet: »Gott schütze Dich und uns – alle Liebe und tiefste Dankbarkeit für alle treue Hilfe. Bless you love, stets Dein treuer Br. A.«
    In dem Brief äußert er sich auch zum Widerstand: Alles, was man ihm anhänge, sei durch Folter erzwungen worden, und »mit dem 20. Juli 1944 habe ich überhaupt nichts zu tun gehabt, es ist eine ganz freche vollkommen unwahre Behauptung«. Geht es Bernstorff nur um die Wahrheit, oder hofft er im Wissen, dass die Briefe kontrolliert werden, davonzukommen? Als am 20. April 1945 die Gestapo angesichts der vorrückenden sowjetischen Armee die restlichen Insassen offiziell der Gefängnisleitung übergibt und einen Tag später einige Gefangene aus der Haft entlassen werden, keimt auch bei ihm Hoffnung auf. Sie zerschlägt sich, als am 22. April ein SS -Trupp 16 Mitgefangene holt und ohne Urteil in der Nähe des Gefängnisses hinrichtet. Am folgenden Tag ist die Front nicht einmal 1,5 Kilometer entfernt. Ist das die Rettung? In der Nacht zum 24. April erscheint erneut ein SS -Kommando und holt drei weitere Gefangene: Karl Ludwig Freiherr von und zu Guttenberg, den Gewerkschaftsfunktionär Ernst Schneppenhorst und Albrecht von Bernstorff. Alle drei werden nie wieder lebend gesehen, ihre Leichen nie gefunden. Die übrigen Häftlinge werden am 25. April 1945 befreit. Widerstandsforscher gehen davon aus, dass der Befehl zum Mord direkt von Gestapo-Chef Heinrich Müller kam.
    Der Tod Albrecht von Bernstorffs erschüttert seine Freunde in Deutschland und im Ausland. Für Aufsehen sorgt ein Nachruf von Sir Harold Nicolson im August1945 , weil er nur Wochen nach Kriegsende in der britischen Zeitung Spectator den Diplomaten Bernstorff als guten Deutschen lobt, was Churchills damaliger Einschätzung des Widerstands widerspricht. Nicolsons Würdigung findet 1952 Eingang in eine Gedenkschrift, die Elisabeth Gräfin von Reventlow herausgibt und in der sich Weggefährten wie Ernst Kantorowicz oder Marion Dönhoff an den Menschen Bernstorff erinnern. Carl Jacob Burckhardt schildert, dass Bernstorffs Urteile nicht nur geistreich gewesen seien, sondern richtig: Er habe »mit gelassener Einsicht genau dasjenige vorausgesagt, was inzwischen eingetreten ist«. Aage Friis äußert sich beeindruckt von Bernstorffs »weltbürgerlicher Lebensanschauung«, mit der er sich freigemacht habe »von allen nationalen, politischen wie religiösen Vorurteilen«. Und Vincent von Steensen-Leth betont Bernstorffs Fähigkeit, »auch in schwierigsten und gefahrvollsten Verhältnissen er selbst zu bleiben«. Er bezeichnet Bernstorff zudem als Vertreter eines »anderen Deutschlands«, dessen Existenz im Ausland oft angezweifelt worden sei, das

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