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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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was mir fehlt. Wo wir zu grübeln und zu erwägen beginnen, verfügt er über die Unbekümmertheit des Entschlusses.« Zum Abschied habe er ihm geraten: »Jetzt setze ich Dich in den Sattel, reiten mußt Du selber. Das Barometer sieht nicht nach ›beständig‹ oder gar ›Schönwetter‹ aus. So könnte es sein, daß Du eines Tages hinter klobigen Koppelritts, Gräben und Hürden Dein Ziel siehst. Junge, dann reite!«
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    Wie in der Schule fand sich Oertzen im Militäralltag schnell zurecht, die Vorgesetzten schätzten ihn wegen seiner Einsatzbereitschaft und seiner Zuverlässigkeit. In der Freizeit nahm er an Reitturnieren und Autorennen teil, korrespondierte aber auch mit dem Indologen Hans-Hasso von Veltheim-Ostrau, weil er von einer Indienreise träumte. Nicht mit allem, was er erlebte, war Oertzen zufrieden. Dass sich viele Wiener nach dem Einmarsch deutscher Truppen 1938 reserviert zeigten, bedrückte ihn; erbost war er über das herrische Auftreten der SS -Trupps, wie er Röhricht erzählte. »Ich habe früher oft geglaubt, aus Dir spreche die Verärgerung. Allmählich sehe auch ich das Bedenkliche an dem System. Wenn einem der Blick dafür erst einmal geschärft ist, stößt man auf immer Neues.« Doch Oertzen, inzwischen Oberleutnant und in Wien stationiert, glaubte noch an die Versprechen des NS -Regimes. »Dafür muß man schließlich auch einige Schönheitsfehler in Kauf nehmen.«
    Im Sommer 1942 beendete er die Generalstabsausbildung. Von den Anstrengungen erholte er sich bei seinem Freund Dietrich von Saldern in der Neumark, einem kargen Landstrich östlich der Linie Schwedt–Küstrin. Dort lernte Oertzen die 19-jährige Ingrid Langenn-Steinkeller vom Nachbargut Bellin kennen, die den jungen Offizier gleich sympathisch fand. Nach dem Kaffee gingen beide spazieren; die Unterhaltung war kurz, aber intensiv. Sie drehte sich nicht nur um die gemeinsamen Leidenschaften Reiten und Malen. »Er erzählte mir vom frühen Tod seiner Mutter, zu der er offensichtlich eine sehr enge Beziehung hatte«, erinnert sich Ingrid. Elisabeth von Oertzen war 1938 an Krebs gestorben. Die Vertrautheit erschien Ingrid ungewöhnlich, war ihr aber nicht unangenehm. Nach dem Besuch schrieb Ulrich von Oertzen einen ersten Brief. Bis zum 20. Juli 1944 folgten rund 240 weitere. Schnell wechselte er aus der förmlichen Ansprache in ein vertrautes »Liebe Ingrid« und begründete das frech: »Frauen und Festungen müssen im Sturm genommen werden.« Die Briefe sind Zeugnisse einer tiefen Liebe, die eine Zukunft haben will, aber auch eine wichtige Quelle für seinen Wandel vom begeisterten Offizier zu einem Menschen, der bitter enttäuscht zu der Erkenntnis kommt, dass Hitler Deutschland in den Abgrund führt. Dass er seinen Weg in den Widerstand gefunden hatte, erwähnte er in diesen Briefen mit keiner Silbe.
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    Große Liebe: »Ulli« von Oertzen mit seiner Frau Ingrid in der Neumark. Sie ist sein wichtigster Halt.
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III.
    Wenige Wochen nach seinem Dienstantritt im Stab der Heeresgruppe ist Oertzen nicht nur nachdenklicher geworden, sondern wird einer der engsten Vertrauten des vierzehn Jahre älteren Tresckow. »Dieser hat Oertzen ganz nah an sich herangezogen«, meint Fabian von Schlabrendorff im Rückblick. Tresckow ist von Oertzens Fähigkeiten überzeugt, von seiner Urteilskraft und seinem Improvisationsvermögen. Ihn beeindruckt auch sein Wesen, das der Mitverschworene Philipp von Boeselager als zupackend, hilfsbereit, lebendig und wach beschreibt. Die Nähe hat zudem einen privaten Grund: Tresckow kennt die Familie von Oertzens Freundin, weil er ebenfalls aus der Neumark stammt. Dass Oertzen ausgerechnet dort seine Liebe gefunden hat, ist Zufall, doch so kann Tresckow bei Beziehungsproblemen helfen, denn Ingrids Vater ist über diese Beziehung in Kriegszeiten keineswegs erbaut. Er stellt dem jungen Paar, das sich verlobt hat, Bedingungen: Sie sollten ernsthafte Absichten oder gar eine Familienplanung »bis auf Weiteres hinausschieben«. Oertzen ist darüber wenig begeistert, doch die Autorität des väterlichen Alters und seine Erfahrung, sich Vorschläge erst einmal anzuhören, hätten ihn bewogen, auf das »Warten« einzugehen, schreibt er Ingrid, um ihr gleich zu versichern, dass es kein Zurück in seinem Entschluss gibt, mit ihr

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