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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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Infanterie-Schüler unter Leitung des ehemaligen Freikorpsführers Gerhard Roßbach zu einem Regierungsgebäude in der Maximilianstraße ziehen, um einen Kampfgefährten Hitlers, Ernst Pöhner, zu befreien. Pöhner, früher Polizeipräsident von München und entscheidend beteiligt am Putsch gegen die Räterepublik, war von Hitler und Ludendorff als Premierminister der geplanten Umsturzregierung vorgesehen, und es wurde das Gerücht verbreitet, er sei von der bayerischen Regierung festgesetzt worden.
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    Um 12.00 [nachts] etwa war Antreten … Wir marschierten zur Maximilianstr., und die 1. und 2. Kompanien mußten die Seitenfronten umstellen, während die 3. Komp., in der auch ich war, gegen die Vorderfront vorrückte. Plötzlich traten aus dem Portal bis an die Zähne bewaffnete Schutzleute, die Fenster des 1. Stockwerkes öffneten sich und ließen Maschinengewehre dahinter erkennen … Plötzlich wurde auf der Gegenseite das Kommando zum »Laden« gegeben. Es war ein schauriges Geräusch, das Auf- und Zurückreißen der Gewehrschlösser in der nächtlichen Stille … Es war doch ein eigenartiges Gefühl, das wohl jeden von uns, mich wenigstens bestimmt, befiel. In wenigen Minuten sollte man vielleicht sein Leben, das man doch kaum zu leben angefangen hatte, dahingeben. Ich kann mich kaum auf das besinnen, was mir in diesen Augenblicken durch den Kopf ging. Vor mir stand ein Mann, der mir eine Maschinenpistole entgegenhielt. Ich wußte genau, daß ich wohl bestimmt in ganz kurzer Zeit nicht mehr sein würde, wenn nämlich bei unserem nächsten Vorrücken dieser Mann seine 32 Schuß in wenigen Sekunden abschoß auf mich. Sentimentale Anwandlungen bekam ich zwar nicht, bloß ich wußte, daß ich noch so gerne weiterleben wollte …
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    Den plötzlichen Befehl zum Rückzug der Schüler der Infanterie-Schule – Ludendorff hatte einen Motorrad-Kurier geschickt, vermutlich, weil sich die Festsetzung Pöhners in dem Gebäude als bloßes Gerücht erwies – erlebt der noch jugendliche Offiziersanwärter als Rettung des Himmels: »Dieser oder jener hat sich vielleicht sogar vorgenommen, ein anderes Leben jetzt zu führen, das vermute ich aber bloß.« Am frühen Morgen des 9. November gegen 4 Uhr folgt die Ernüchterung,
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    wo mir aus den verschiedensten Sachen allmählich klar wurde, daß die Verhältnisse doch wohl nicht so lagen, wie man sie uns am Vorabend geschildert hatte. Die Münchner Truppen, geschweige denn die übrige Armee, beteiligten sich nicht an dem Putsch. Viele von den Offizieren des Lehrgangs, die uns anfangs geführt hatten, waren verschwunden. Schon der Vorfall mit der Landespolizei, die doch eigentlich auf unserer Seite stehen mußte, hatte mich stutzig gemacht. Jetzt war es mir klar, daß man uns gelockt hatte unter Verbreitung unzutreffender Schilderungen über Beteiligung des ganzen Heeres u.s.w. Als Soldat gehörte ich jetzt nicht mehr unter diese Leute … In einem Gefühl unendlicher Enttäuschung und Verbitterung verließ ich den Bürgerbräukeller, um nach der Inf.schule zurückzukehren. Noch nie im Leben habe ich so gelitten als in dem Augenblick, als ich die hohen Hoffnungen, mit denen ich mich nach inneren Kämpfen mit meinem soldatischen Pflichtbewußtsein der Sache angeschlossen hatte, plötzlich in ein Nichts zerfallen sah. In dieser Seelenstimmung kam ich in der Inf.schule an, wo ich von einem Aufsichtsoffizier mit »Schuft«, »Meuterer« und ähnlichen Ausdrücken empfangen wurde. Daß ich diesem Mann, der am Abend vorher nicht den Mut hatte, wenn er von vornherein von der Sache anders dachte als wir, sich mit der Pistole uns entgegenzustellen und uns von unserem Vorhaben durch einen Befehl als Offizier zu versuchen abzuhalten, daß ich dem damals nicht an die Kehle gegangen bin, darüber staune ich heute noch.
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    Auszug aus dem Tagebuch (8./9. Nov. 1923)
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    Das war eine sehr bittere, sehr frühe Lehre für Georg Schulze-Büttger, den späteren Widerstandskämpfer aus dem engsten Kreis um Henning von Tresckow. Nicht das letzte Mal in seinem Leben sollte er fassungslos sein über das Versagen von Vorgesetzten. Er wird diese frühe Erfahrung nie vergessen. Sie prägt sein Leben als Offizier, seinen Einsatz im Kreis der Verschwörer und sein Auftreten vor dem

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