Stauffenbergs Gefaehrten
zwei Jahre später in seinem Buch solche bösartigen Verzerrungen der Tatsachen und solche politischen Denunziationen seiner früheren Mitverschwörer?
Ohne Zweifel spielt dabei die Persönlichkeit von Hans Bernd Gisevius eine Rolle. Er fühlte sich von Stauffenberg gekränkt, er sah sich aus dem Zentrum der Verschwörer an den Rand des Kreises gedrängt, und seiner Meinung nach wurde die Gruppe, der er sich besonders verpflichtet wusste â die Nationalkonservativen in der Abwehr, bei der Gestapo und im Polizeiapparat â, gemessen an dem Risiko, das sie eingingen, nicht genügend gewürdigt und in die Planung einbezogen. Er fürchtete auch für sich selbst, wieder einmal zu kurz zu kommen, wenn es um die Verteilung von Posten, Ãmtern und Ehre in der Zukunft ging. Aber das alles hätte doch durch die schlichte Tatsache gemildert werden müssen, dass er am Leben war, während so viele andere tot waren.
War Gisevius ein Doppelagent, der schon seine Hauptloyalität geändert hatte? War er ein Karrierist im Ãbergang zu neuen Ufern? War er ein unverbesserlicher Provokateur, oder war er einfach durch die lange Widerstandstätigkeit verbraucht und verbittert?
Es gibt â bis jetzt â keine Belege dafür, dass Gisevius sich eine gezielte Demontage des Verschwörerkreises zum Ziel gesetzt hat und dabei einen Auftrag von dritter Seite erfüllte. Gisevius war, bei jeweils wechselnden Standorten seiner Biographie, immer ein Ãberzeugungstäter seiner jeweiligen Sichtweise, und womöglich glaubte er sich selbst, was er schrieb.
Des Rätsels Lösung findet sich eher, wenn man sich überlegt, in welche Umgebung hinein und für welche Leser er seinen »Roman« verfasste.
Das Attentat war gescheitert, die Verschwörer hatten weder vor ihrem Volk noch vor der Geschichte recht behalten. Mit der Schilderung von Gisevius konnten alle übereinstimmen, die nie, nicht ganz oder nicht entschlossen genug auf der Seite der Verschwörer waren. Von ihm konnten sich sogar die Täter und Mitläufer des NS -Regimes entlastet fühlen, die sich moralisch nicht mehr rechtfertigen wollten. Gisevius schrieb die Version für die Ãberlebenden, die die Toten ruhen lassen wollten. Er schrieb auch die Version, die das Verhalten der Westalliierten begründen konnte, welche den Verschwörern jede Unterstützung versagt hatten, während sie später â ganz Realpolitiker â sogar mit höchsten SS -Leuten (z.B. mit Himmlers Adjutanten Wolff) mit langfristiger Bindung verhandelten. Mit dem Kern der Darstellung von Gisevius, wonach das Unternehmen »Walküre« irgendwie als nicht ganz seriös und politisch als unzuverlässig einzustufen sei, konnten viele gut leben. Er schrieb die Version für die Zeit des Kalten Krieges und der Blockkonfrontation, in die die Becks, Olbrichts, Stauffenbergs, Tresckows, Klausings etc. angeblich nicht mehr hineinpassten.
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»Kann keine Trauer sein, zu fern, zu weit« (Gottfried Benn).
Die Nachkriegszeit hatte endgültig begonnen.
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In den frühen Jahren der Bundesrepublik tauchte Hans Bernd Gisevius immer wieder mal bei den Familien aus dem Zusammenhang des Widerstands auf. Sie wussten nie genau, was er eigentlich wollte.
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Antje Vollmer
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Ewald Heinrich von Kleist über seine Teilnahme am Widerstand gegen Hitler
»Der Tod war ei n groÃes Thema«
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Fällt Ihnen die Erinnerung an den 20. Juli schwer?
Früher hatte ich b estimmte Erinnerungen an Ereignisse, von denen wusste ich ganz klar, wie sie waren. Heute ist das nicht ganz so einfach. Inzwischen habe ich so viele Dinge über ein und dieselbe Sache gehört und gelesen, dass ich manchmal schon gar nicht mehr weiÃ, haben die anderen eigentlich recht oder ich. Es wird vieles auch falsch dargestellt. AuÃerdem kommen natürlich neue Themen hinzu, die mich mehr interessieren als die alten Sachen. Die sind ja auch mehr als sechzig Jahre her.
Trotzdem wollen wir mit diesem Buch an den 20. Juli erinnern und vor allem an vergessene Mitverschwörer wie Friedrich Karl Klausing. Er stammte aus einer überzeugten NS-Familie und hatte es aus diesem Grund schwerer, zum Widerstand zu finden, als jemand, der aus einer NS-kritischen Familie kam. Dementsprechend grausam reagierte seine Familie auf seinen Entschluss. In dem Abschiedsbrief des Vaters wirft dieser seinem Sohn vor, nicht den Tod
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