Stauffenbergs Gefaehrten
Gisevius Stauffenberg, Olbricht, Schwerin, Schulenburg, Hoepner und andere, er hält sich aber vorzugsweise in der Nähe Becks auf. SchlieÃlich gelingt es ihm in dem Durcheinander â »wir zwei Zivilisten unter all den Uniformierten« â, mit ihm allein zu sein. »Ich platze mit der Kernfrage heraus. Wieso ist Stauffenberg schon zurück? Weshalb hat man solange gewartet? Von selber sind aus einer Frage zwei geworden ⦠Irgend etwas muà schiefgelaufen sein.«
Im Laufe des Nachmittags macht der Zivilist Gisevius viele Verbesserungsvorschläge: Man müsse den inhaftierten Befehlshaber des Ersatzheeres, Friedrich Fromm, erschieÃen, Goebbels erschieÃen, den SS -Standartenführer Achamer-Pifrader und Gestapo-Müller gleich mit ȟber den Haufen schieÃen«, das ganze Gestapo-Gebäude erstürmen. Er fordert im Wortgefecht Stauffenberg auf, ihm, dem bekennenden »Zivilisten«, dafür einen entschlossenen StoÃtrupp anzuvertrauen. Es müssten jetzt endlich »sichtbare Tatsachen« geschaffen werden. Es kommt zu einem heftigen Eklat, den Beck schlichten muss.
Die einzige konkrete Bitte Becks an ihn â einen Entwurf für die geplante Rundfunkerklärung am Abend zu machen, da General Fritz Lindemann, der diese Aufgabe für die Verschwörer übernommen hatte, nicht auffindbar ist â erfüllt er nicht. »Becks gute Meinung in allen Ehren, aber ein biÃchen staunen muà ich doch ⦠Eine böse Ahnung sagt mir, wer weiÃ, vielleicht ist diese Rundfunkübertragung das einzige, was vom heutigen Tage an die Ãffentlichkeit dringt.« 24
Nach zeitraubendem Zögern entschlieÃt sich Gisevius, auf das erneute Drängen Becks hin, doch an den erwünschten Aufruf zu gehen. In all dem Chaos bildet er so etwas wie eine Arbeitsgruppe. »Olbricht gesellt sich hinzu, dann Hoepner, dann Schulenburg, Yorck und Schwerin, zeitweise Stauffenberg. Wie ich so dastehe, meinen Notizblock gezückt und von den verschiedensten Seiten Stichworte entgegennehmend, komme ich mir vor wie ein Zeitungsreporter, der als erster am Unfallplatz eingetroffen ist und die aufgeregten, widerspruchsvollen Berichte der Tatzeugen aufschreibt.« 25
Die Rede, das Einzige, was er konkret hätte beitragen können, wird nie fertig. Später am Abend wirft Gisevius seine zerrissenen Zettelschnipsel aus einem fahrenden Auto.
Wenig später ruft sein Freund Helldorf ihn dringend zurück ins Polizeipräsidium, um Neues aus dem Bendlerblock zu erfahren. Kurz vor 21 Uhr verlässt Gisevius das Gebäude, trifft Helldorf und Nebe, die die ganze Sache umgehend für gescheitert erklären. »Es war alles Beschiss, alles Beschiss â¦Â«, soll Helldorf gesagt haben. Er empfiehlt Nebe und auch Gisevius, alles abzustreiten und zu »verduften«. Gisevius lässt sich noch einen Wagen für die Rückfahrt geben, er habe das Beck versprochen. Nach kurzer Fahrt aber befiehlt er dem Fahrer zu wenden. »Je weiter wir uns fortbewegen, desto unsinniger kommt mir meine Situation vor. Was habe ich eigentlich mit diesen Generälen gemein? Und jetzt soll ich für sie sterben? Nein, ich denke gar nicht daran, für sie zu sterben.« 26
Die Nacht verbringt er wieder im Keller der Familie Strünck. Dann bereitet er seine Flucht vor, zunächst gemeinsam mit Nebe und Strünck. Nach einer Irrfahrt von einigen Tagen â alle, die ihnen dabei Unterschlupf bieten, werden von der Gestapo hinterher entdeckt â trennt er sich von Nebe in Berlin und taucht für ein halbes Jahr allein unter. Die letzten Monate verbringt er bei einer Bekannten, Ruth Brugsch. Weihnachten 1944 besucht er unvorsichtigerweise die Wohnung von Alexandra (»Lexi«) Roloff, deren Mann, Wilhelm Roloff, und deren Vater, Werner von Alvensleben, zu diesem Zeitpunkt auch im Zusammenhang der Ereignisse des 20. Juli verhaftet sind. Von der als äuÃerst mutig bekannten Lexi erwartet er sich Unterstützung, die er auch bekommt. Er sucht auch Kontakt zum Ehepaar Koch und hält sich zeitweilig in dessen Haus auf. Hans Koch war der Rechtsanwalt der Bekennenden Kirche und Martin Niemöllers gewesen und gehörte ebenfalls zur Abwehr. All diese Angaben stammen von Charlotte Pommer, einer Freundin von Lexi Roloff. Sie arbeitete als Assistenzärztin in dem Staatskrankenhaus, in das auch viele der Widerstandskämpfer nach Folter, Selbstmordversuch oder
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