Stauffenbergs Gefaehrten
Herzinfarkt eingeliefert wurden. Sie fragt sich: »Wie konnte ein Mann wie Gisevius aus Sentimentalität noch zu Weihnachten in ein solches Haus gehen, andere gefährden!« 27 Selbst seit März 1945 im Gefängnis, wird Charlotte Pommer zeitweise mit Ruth Brugsch zusammengelegt, wohl um die beiden Frauen heimlich über ihre Kontakte zu Gisevius abhören zu können. »Ruth erzählte mir, daà er [Gisevius] seinen ersten falschen Paà zurückgeschickt habe, weil die Fälschung ihm nicht gut genug war!« 28
Aus dem Versteck heraus hatte Gisevius mit Hilfe seiner deutschen Unterstützer Kontakt zu Allen Dulles aufnehmen können, der ihm diese gefälschten Papiere und sogar eine gefälschte Gestapo-Marke besorgt. Von Lexi Roloff bekommt er auch noch eine Pistole, eine Walter 08. Am 20. Januar 1945 gelangt er so sicher in die Schweiz, wo er seinen Bericht über die Vorgänge und über seine persönliche Deutung des 20. Juli abliefert.
Seine Helfer in Berlin aber werden aufgrund der Denunziation einer NS -Agentin (Charlotte Pommer kannte sie unter dem Namen Frau Land) allesamt im Februar/März 1945 verhaftet: Hans Koch und seine Frau Annemarie, Lexi Roloff und Charlotte Pommer, Ruth Brugsch und eine Brigitte K. 29 Hans Koch wird noch am 23./24. April 1945 von einem Sonderkommando des Reichssicherheitshauptamtes erschossen. Da war die Rote Armee schon auf Berliner Boden.
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VIII.
Hans Bernd Gisevius blieb der Erste und fast der Einzige, der mit seinem romanhaften Buch Bis zum bitteren Ende einen, wenn auch äuÃerst subjektiven zeitnahen Bericht aus dem Umsturzzentrum des 20. Juli für die Nachwelt überlieferte, wobei die zweite, überarbeitete Fassung (1964) dieses Werks in ihrem vernichtenden Urteil über den engsten Kreis um Stauffenberg gegenüber der ersten keineswegs gemildert wirkt. Die meisten anderen unmittelbaren Zeitzeugen aus den dramatischen Stunden im Bendlerblock wurden hingerichtet oder begingen Selbstmord (Beck, Stauffenberg, Olbricht, Haeften, Yorck von Wartenburg, Oertzen, Schulenburg, Witzleben, Hoepner Klausing u.a.), waren monatelang verhaftet (Gerstenmeier, Kleist) oder bis zum Kriegsende im Untergrund (Hammerstein). Sie konnten nicht mehr für sich selbst sprechen.
Hammerstein, Kleist und Gerstenmeier haben auch später nur auf Nachfrage und eher zurückhaltend von diesen traumatischen Erlebnissen berichtet. Gisevius besaà also faktisch eine Monopolstellung in der Darstellung dessen, wer wie unmittelbar vor dem 20. Juli und am Tag selbst gehandelt hat. Diese Sonderstellung war ihm auch in der Nachkriegszeit wichtig. Er war nicht nur Zeuge im Nürnberger Prozess. Er war auch die wichtigste Referenz der ersten verdienstvollen Zeitungsserie über die Verschwörung, die 1947 in acht Teilen in der Zeitung Die Welt erschien. Gisevius taucht noch im Fernsehfilm Operation Walküre von Joachim Fest aus dem Jahr 1971 auf. Und selbst der hochgeachtete Doyen der Forschung über den Widerstand und den versuchten Staatsstreich vom 20. Juli, der Historiker Peter Hoffmann, beruft sich in vielen Passagen seiner Darstellung der Ereignisse des 20. Juli auf ihn, da es kaum andere schriftliche Schilderungen gibt.
Zwar bemühte sich auch Fabian von Schlabrendorff in seinem frühen Buch Offiziere gegen Hitler , das 1946 in der Schweiz und erst später in Deutschland erscheinen durfte, ein weitaus positiveres Bild des militärischen Widerstands und seiner führenden Persönlichkeiten zu zeichnen, aber er selbst war am 20. Juli an der Ostfront und konnte deswegen über die entscheidenden Tage in Berlin wenig Authentisches sagen.
Aus menschlicher Sicht bleiben viele Fragen offen, und zwar sowohl in Bezug auf die Tage vor als auch auf die Zeit nach dem 20. Juli. Ganz offensichtlich wollte Gisevius in dieser Woche das Attentat zugunsten der von ihm favorisierten »Westlösung« verhindern. Aus seiner eigenen Darstellung wird auch deutlich, dass er in diesem Sinne die für ein Gelingen des Staatsstreichs wichtigen Akteure bei der Polizei, Gestapo und in der Abwehr in ihrem Zögern und in ihren Zweifeln bestärkt hat. Im Bendlerblock selbst verhält er sich teils wie ein Agent Provocateur, teils wie ein ständiger Bedenkenträger, obwohl doch alles auf das entschlossene Handeln ankam.
In der Rückschau verschärft sich die Frage: Warum enthält der einzige groÃe Bericht eines überlebenden
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