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Stauffenbergs Gefaehrten

Titel: Stauffenbergs Gefaehrten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Vollmer , Lars-Broder Keil
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Zeitzeugen solche verzerrenden Darstellungen und Dekonstruktionen der toten Mitkämpfer, die sich nicht mehr wehren können? Woher stammt sein Zynismus selbst bei Details, mit denen er Stauffenberg und gerade die jungen Verschwörer kennzeichnet? Diese Frage bleibt sogar dann bestehen, wenn man – zugunsten des Autors – voraussetzen würde, er habe wahrheitsgemäß und nur ein wenig zugespitzt formuliert.
    Aber Gisevius berichtet nicht wahrheitsgemäß. Den George-Schüler und Tresckow-Vertrauten Stauffenberg als Befürworter eines Bündnisses mit Stalin und einer bolschewistischen Revolution in Deutschland hinzustellen ist nicht nur dreist, es ist einfach absurd und entbehrt jeder Kenntnis der Person. Stauffenberg wie Tresckow lehnten bis zuletzt sogar ein Bündnis mit dem »Nationalkomitee Freies Deutschland« unter General von Seydlitz ab, weil man »hinter Stacheldraht nicht frei denken und entscheiden« könne. Ein Treffen mit der sowjetischen Botschafterin in Schweden, Madame Kollontai, und Verhandlungen mit Emissären Stalins hat es nie gegeben. Wenn Stauffenberg, Tresckow und Trott zu Solz für ein Zusammengehen mit den Sozialdemokraten und bekannten Arbeiter- und Gewerkschaftsführern Leber und Leuschner plädierten, so taten sie das, um der Übergangsregierung in Deutschland das Gewicht einer parteiübergreifenden Volksregierung zu geben und die Gefahr eines Bürgerkriegs zu vermindern. Die geplante Notregierung aber sollte generell nur so lange im Amt bleiben, bis sie durch eine frei gewählte Regierung ersetzt werden konnte.
    Stauffenberg, der schwerstverletzt war und mit dem Attentat an sein absolutes Limit ging, war auch weit davon entfernt – wie Gisevius ihm unterstellt –, als »politischer Offizier« für sich einen politischen Posten zu ergattern und baldmöglichst den General Beck in seiner geplanten zentralen Rolle in der Übergangsregierung abzulösen, also eine Art Putsch im Putsch vorzubereiten. Das sind Phantasien und Verschwörungstheorien, die jeder Quellenbasis entbehren. Stauffenberg hatte für sich überhaupt keine zentrale Rolle mehr vorgesehen – er wollte den Staatsstreich, und er musste, als Letzter, der einen Zugang zu Hitler bekam, das Attentat durchführen. Damit wäre seine Mission mehr als erfüllt gewesen.
    Dass Stauffenberg und der Kreis der jüngeren Verschwörer – Gisevius ist der Erfinder des Begriffs »Grafen-Gruppe« – inhaltliche Differenzen zu den stark konservativen Vertretern der Mittwochsgesellschaft (Popitz, Langbehn) und eine gewisse Skepsis gegenüber den hohen Funktionären aus Gestapo- und Polizeiapparat (Nebe und Helldorf) hatten, ist richtig, kann aber keineswegs mit einem politischen Seitenwechsel begründet werden. Ihre gelegentliche Zurückhaltung gegenüber Goerdeler war einerseits in dessen notorischer Unvorsichtigkeit in konspirativen Dingen und andererseits in der Einschätzung begründet, Goerdeler verfolge manchmal utopische Ziele, beispielsweise, wenn er für möglich hielt, Hitler in einem persönlichen Gespräch noch überzeugen oder Himmler politisch umdrehen zu können. Die Frage aber, wie die Übergangsregierung personell zusammengesetzt werden sollte, wurde weitgehend dem Kreis um Goerdeler überlassen, der auch keine Einwände gegen eine Beteiligung von Sozialdemokraten hatte.
    Die berühmte »Westlösung« aber, das kampflose Öffnen der Westfront durch die Generäle Kluge und Rommel, damit die Westalliierten Deutschland besetzen sollten, bevor es ganz in die Hände Stalins fiel, war längst aus eigenen strategischen Überlegungen Teil der Gespräche zwischen Tresckow und Stauffenberg. Gerade in den Kurierbotschaften von Juni/Juli 1944 spielt diese Variante eine Rolle, sie wird allerdings durch die wiederholte Erfahrung der kalten Zurückweisung seitens der Westalliierten nicht gerade bestärkt. Die von ihnen angedachte »Westlösung« sollte aber keinesfalls das Attentat und den Staatsstreich ersetzen, sondern mit ihnen verbunden sein, um die allerletzte Chance zu ergreifen, vor der Welt zu dokumentieren, dass es ein anderes Deutschland gab.
    Â 
IX.
    Warum also schreibt der einzige Zeitzeuge der dramatischen Julitage im Bendlerblock, der die Chance wahrnimmt, seine Erlebnisse schriftlich mitzuteilen, erst einmal in seinem Bericht an Allen Dulles und dann noch einmal

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