Stauffenbergs Gefaehrten
sich mit dem Gedanken auseinandersetzen, Hitler zu töten. Wie sehr machte ihm das zu schaffen?
Er machte es sich auch hier schwer, prüfte alles sehr genau. Da war er anders als einfacher gestrickte Leute. Manche Menschen sind sich immer ganz sicher. Das war er nicht. Er musste sich immer wieder mit sich selbst seine Position erarbeiten.
Sie selbst standen Anfang 1944 vor der Entscheidung, für die Tötung Hitlers Ihr eigenes Leben zu geben. Hitler sollte bei einer Uniformvorstellung durch das Auslösen einer Bombe getötet werden. Erst wurde die Vorführung verschoben, dann fiel der vorgesehene Attentäter von dem Bussche wegen einer Verwundung aus, daher wurden Sie gefragt. Wie war das für Sie?
Unangenehm.
Der Tod schreckt kriegserfahrene Soldaten wenig, heiÃt es. Auch den Teilnehmern des Hitler-Attentats wird nachgesagt, der Tod habe ihnen am wenigsten Gedanken gemacht.
Das ist ganz falsch. Der Tod war ein gewaltiges Thema. Auch für uns Soldaten. Wenn Sie jung sind, finden Sie den Gedanken an den Tod nicht sehr erfreulich.
Sind Sie aus diesem Grund zu Ihrem Vater gegangen und haben ihn um Rat gefragt, ob Sie sich und Hitler töten sollen?
Ich stand vor der Frage: Sage ich ja, bin ich tot. Sage ich nein, bin ich ein Schwein. Beides ist nicht gut. Als Kind schiebt man gern Eltern, die einen lieben, die Verantwortung zu, weil man glaubt, dann fein raus zu sein.
Was haben Sie denn für eine Antwort erwartet?
Erwartungen hatte ich keine. Obwohl, man musste damit rechnen, dass mein Vater mir zurät.
Was hat er konkret gesagt?
»Du musst das tun. Wer in so einem Moment versagt, hat nie wieder Freude am Leben.« Aber die Uniformvorführung wurde dann immer wieder verschoben.
Wo war Ihr Vater am 20. Juli?
Zu Hause. Er ist dann wegen mir verhaftet worden. Er kam sozusagen in Sippenhaft.
Gleichwohl war auch er involviert in die Staatsstreichplanung.
Mein Vater war vorgesehen als Politischer Beauftragter für Pommern.
Wann und wo haben Sie Ihren Vater noch gesehen?
Im Gefängnis in der Lehrter StraÃe. Ich bin einmal zu einer Vernehmung abgeführt worden. Vor der Zentrale musste man sich mit dem Gesicht zur Wand stellen, während der Posten einen anmeldete. Da ging die Haupttür auf, es war dunkel, und ich habe zur Seite gelinst und zwei Leute gesehen, einer kam mir vom Gang und der Statur her bekannt vor, der wurde neben mich gestellt und auch angemeldet. Das war mein Vater. Dann gab es einen Oberaufseher [Oberscharführer], einen Ãsterreicher, der kam eines Nachts in meine Zelle, um sich mit mir zu unterhalten, und gab mir sogar etwas zu essen: Leberwurstbrote mit Butter! Er wollte reden und erzählte mir von seinem Leben und was er als SS -Angehöriger gemacht hatte in Polen, in Dänemark. Unvorstellbar grausame Sachen, die man nicht schildern kann! Und so einer gibt einem sein Leberwurstbrot zu essen! Eines Tages sagt er zu mir: »Hier ist ja noch ein Kleist.« Ich blieb gelassen und zeigte keine Reaktion. Dann schaute er nach und meinte: »Das ist ja Ihr Vater. Wollen Sie ihn mal sehen?« Dann wurden wir tatsächlich in eine leere Zelle geführt, mein Vater und ich. Wir waren eine halbe Stunde zusammen. Unglaublich. Das war das letzte Mal.
Wollte der Wärter Ihnen was Gutes tun?
Ich nehme nie etwas an. Es gibt verschiedene Möglichkeiten bei einem Mann, der so grausam war wie dieser Kerl. Für diese Aktion wäre er erschossen worden, wenn das rausgekommen wäre. Ich habe aber vermutet, dass wir abgehört werden.
Worüber haben Sie sich mit Ihrem Vater unterhalten?
Eigentlich über Nichtssagendes. Wie es einem geht und so weiter.
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Der Sohn wurde überraschend im Dezember 1944 entlassen. Der Vater, Ewald von Kleist-Schmenzin, wurde am 28. Februar 1945 vom Volksgerichtshof zum Tode verurteilt und noch kurz vor Kriegsende, am 9. April, in Plö tzensee hingerichtet.
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Ein ganz anderes Thema: Welche Rolle spielte Ihrer Meinung nach Hans Bernd Gisevius am 20. Juli? Er war ja eigentlich für die Abwehr am deutschen Generalkonsulat in Zürich tätig, aber an diesem Tag in Berlin.
Gar keine. Sie müssen sehen, in einem Krieg ist ein Zivilist in einem militärischen Hauptquartier nichts. Er ist ein Häuptling groÃer Zunge. Otto John habe ich auch nicht gesehen.
Aber der Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes und spätere Bundestagspräsident Eugen Gerstenmeier war da?
Aber wie. Ein toller
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