Staunen über den Erlöser
ihr auf, dass er sich am Ende der Woche einen Tag freinahm, um auszuruhen.
Und dann, als Schlusssatz einer genialen Sinfonie, erschuf er den Menschen. Mit seinem typischen kreativen Flair begann er mit einem Haufen Erde und endete mit einer Spezies von unschätzbarem Wert, die er »Mensch« nannte. Ein Wesen, das sich als einziges von Gottes Geschöpfen auf der Erde mit dem Titel »nach Gottes Bild erschaffen« schmücken durfte.
An diesem Punkt der Geschichte sind wir versucht, aufzuspringen, Beifall zu klatschen und zu rufen: »Bravo!« »Zugabe!« »Perfekt!« »Schööön!«
Aber der Beifall wäre verfrüht. Noch hat der himmlische Meister sein größtes Kunstwerk nicht enthüllt.
Die Geschichte geht weiter. Eine teuflische Schlange hält dem Menschen ein falsches Versprechen und eine Frucht vor die Nase, und der Mensch schluckt beide. Es ist ein Akt der Rebellion gegen Gott, der eine dramatische und traumatische Werbe- und Rettungsaktion in Gang setzt. Die Personen und die Schauplätze wechseln, aber das Szenario ist immer wieder dasselbe: Gott, der nach wie vor der Schöpfer ist, der seine Schöpfung liebt, geht dem Menschen nach, und der Mensch streckt ihm mal in Buße und Reue die Hand entgegen, mal läuft er wieder trotzig davon.
Und in diesem Drama des Werbens Gottes um den gefallenen Menschen erklimmt Gottes Kreativität neue Höhen. Wenn Sie gedacht haben, dass das mit dem Meer und den Sternen genial war, dann schnallen Sie sich an und lesen Sie, was Gott alles unternimmt, damit seine Schöpfung ihm wieder zuhört. Zum Beispiel:
Eine Neunzigjährige wird schwanger.
Eine Frau erstarrt zur Salzsäule.
Eine Überschwemmung bedeckt die ganze Erde.
Ein Strauch brennt (aber verbrennt nicht!).
Das Rote Meer teilt sich.
Die Mauern Jerichos fallen.
Es regnet Feuer vom Himmel.
Ein Esel spricht.
Allerhand, nicht wahr? Aber das Tollste kommt noch.
Der Höhepunkt der Geschichte kommt, als Gott aus seiner göttlichen, souveränen Liebe heraus die größte aller Überraschungen inszeniert und – selbst ein Mensch wird. In einem Geheimnis, das wir nie ganz begreifen werden, verkleidet er sich als Zimmermann und wohnt in einem staubigen Dorf in Galiläa. Entschlossen, seine Liebe zu seiner Schöpfung bis zum Letzten zu beweisen, geht er inkognito über seine eigene Welt. Seine schwieligen Hände berühren Wunden, seine barmherzigen Worte berühren Herzen. Gott wird einer von uns.
Wo haben Sie je solch eine unverdrossene Entschlossenheit gesehen, solch einen beharrlichen Wunsch, sich mitzuteilen und zu offenbaren? Wenn das eine nicht funktionierte, versuchte Gott etwas anderes. Sein Erfindungsreichtum fand kein Ende. Im Hebräerbrief lesen wir: »Vor langer Zeit hat Gott oft und auf verschiedene Weise … zu unseren Vorfahren gesprochen, doch in diesen letzten Tagen sprach er durch seinen Sohn zu uns« (Hebräer 1,1-2).
Aber so großartig die Menschwerdung Gottes war, sie war noch nicht das Allergrößte. Wie ein Meistermaler reservierte Gott sein schönstes Werk bis zum Ende. All seine früheren Akte der Liebe waren nur Vorbereitungen dieses letzten Akts. Die Engel verstummten und der Himmel hielt den Atem an, um dem Finale zuzuschauen. Gott enthüllt die Leinwand und zeigt uns das Meisterwerk der Barmherzigkeit des Schöpfers.
Gott an einem Kreuz.
Der Schöpfer lässt sich für seine Schöpfung opfern. Gott zeigt dem Menschen ein für alle Mal, dass Vergebung stärker ist als Versagen.
Manchmal frage ich mich, ob der Schöpfer, als er dort am Kreuz hing, an all das zurückdachte, was vorher gewesen war, die vielen tausend Gesichter und Begebenheiten vor seinem Gedächtnis Revue passieren ließ. Erinnerte er sich daran, wie er den Himmel und das Meer erschaffen hatte? Wie er mit Abraham und Mose sprach? Erinnerte er sich an die Gerichte und die Verheißungen, die Wüsten und die Wanderungen? Wir wissen es nicht.
Doch dafür wissen wir, was er sagte.
»Es ist vollbracht.«
Die Aufgabe war erfüllt, das Werk vollendet. Der Meistermaler hatte den letzten Pinselstrich gezogen, und alles war perfekt. Seine Schöpfung konnte heimkommen zu ihm.
»Es ist vollbracht!«, rief er.
Und der große Schöpfer ging nach Hause.
(Wo er sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruht. Es heißt, dass seine unermüdlichen Hände dabei sind, eine Stadt zu entwerfen und zu bauen, die so herrlich ist, dass selbst die Engel eine Gänsehaut bekommen, wenn sie sie sehen. Wenn ich bedenke, was er bisher alles geschaffen hat, dann muss
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