SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
jetzt bewusst wurde. Sofort kletterte sie stolpernd und teilweise auf allen vieren den Hang hinauf. Ich weiß nicht, ob Charles der Gesundheit des alten Geiers so wenig Bedeutung wie ich beimaß oder ob er noch unter Schock stand. Er drehte sich jedenfalls geistesgegenwärtig zum Zentrum des Kraters um. Nur wenige Meter entfernt, am tiefsten Punkt dieser Katastrophe, machten wir ein silbernes Glühen aus.
Sofort setzte er sich in Bewegung und Fifi folgte ihm auf dem Fuße. Offenbar war es unser Silber, das hier auf eine unbekannte Art von innen leuchtete. Die halbe Tonne des Metalls war zu einem einzigen grauen Klumpen zusammengeschmolzen. In der Mitte der Schlacke war eine Art Kristall gewachsen, der einer Mischung aus Stern und Schneeflocke ähnelte. Er schien aus dem reinsten und klarsten Silber zu bestehen, was ich je gesehen hatte und glühte hell wie eine Fackel. Je nach Blickwinkel wirkten die einzelnen Facetten jedoch so schwarz, als wären sie gar nicht da. Ein vergleichbares Objekt hatte ich noch nie gesehen.
Als wir auf vier Schritte heran waren, war die unnatürliche Kälte zu spüren, die von dem Gebilde ausging. Nie im Leben würde ein lebendes Wesen den Kristall hier mit eigenen Händen wegtragen können. So bat Charles Fifi, mich „zurückzugeben“ – ja, ich weiß, wie sich das anhört – und den Kristall mitzunehmen. Ich hätte es wohl nicht gewagt, Fifi dieser Gefahr auszusetzen, doch sie schien mit dem Anfassen keinerlei Probleme zu haben. Geschickt hob sie den Kristall aus der Schlacke, die scheinbar nur aus einem mehligen Staub bestand, und nahm ihn mit. Als wir uns gerade noch vor der anrückenden Polizei in die Überreste der Kanalisation flüchteten meinte sie: „Das lustisch war, Mister Igeltón! Wir gönnen mac´en morgén gleisch wiedér!“
Fiddlebury glaubte ernsthaft verletzt worden zu sein und machte ein großes Drama daraus. Ich schob diese Überzeugung eher auf den Umstand, dass sich zunächst niemand um sein Befinden gekümmert hatte. Dabei hätte er sich eher freuen sollen, nur von ein paar Zentimetern Erde verschüttet worden zu sein. Er konnte Arme und Beine problemlos bewegen und hatte außer ein paar blauen Flecken nichts abbekommen. Aber weil er darauf bestand, hatten ihn Charles und Rachel eine Stunde nach der Katastrophe ins Krankenhaus eingeliefert. Unter all den anderen Opfern der Katastrophe war er nicht einmal aufgefallen.
Ich muss wohl nicht extra erwähnen, was für ein schlechtes Gewissen wir wegen der vielen verletzten Menschen hatten. Wie durch ein Wunder war niemand getötet worden. Dass wir so viel Leid verursacht hatten, war eine Verpflichtung, mindestens ebenso viel Leid durch unsere Erkenntnisse wieder ungeschehen zu machen. Ich bin sicher, dass die Anderen das ebenso sahen, auch wenn wir nie darüber sprachen. So machten wir uns am nächsten Morgen, nach nur wenigen Stunden Schlaf, auch sofort ans Werk:
„Das ist irgendwie unheimlich“, äußerte Rachel verwirrt. Ich fand, dass sie damit die Untertreibung des Tages für sich verbuchen konnte. Ihr Messversuch hatte soeben die Instrumente des Essenz-Aspirators zerspringen lassen. Abgesehen davon, dass dies überhaupt nicht möglich sein sollte – der seltsame Kristall hatte ja keine Oxidationsschicht, die verdampfen konnte – war damit unser wichtigstes Forschungsinstrument blind geworden. Es würde Wochen dauern, den Schaden zu reparieren.
Doch auch unsere anderen Instrumente hatten auf ganzer Linie versagt: Charles Prismometer behauptete steif und fest, dass von dem Kristall überhaupt kein Licht ausgehe und konnte folglich auch keine Farbsignatur ermitteln. Und unter dem Fadenzähler sah die Oberfläche des Gebildes absolut strukturlos aus. Außerdem waren die Untersuchungen sehr mühsam gewesen. Der Kristall war noch immer so kalt, dass man nur schwer mit ihm arbeiten konnte. Wenigstens konnte man sich ihm mittlerweile problemlos nähern; nur das Berühren war mit bloßen Händen noch nicht möglich. Auch das „Glühen“ hatte aufgehört. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich unser Forschungsobjekt wohl für einen besonders merkwürdigen Eiskristall gehalten.
„Ja“, stimmte Charles Rachel zu. „Und es führt uns in eine Sackgasse. Wie untersucht man etwas, was sich allen bisherigen Beobachtungsmethoden entzieht?“
„Man erfindet neue Untersuchungsmethoden?“, schlug ich vor
„Angesichts unserer bisherigen Erfahrungen werden wir das wohl für alle bisherigen
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