SteamPunk 3: Argentum Noctis: SteamPunk (German Edition)
verlor. Mit einem erschreckten Aufschrei ging ich kurz in freien Fall über, bis ich panisch um mich greifend den Saum von Kinkins Handschuh zu fassen bekam.
In diesem Moment riss Kinkin die Tür auf, wodurch mein Rücken unsanfte Bekanntschaft mit in erstklassiger englischer Tradition verarbeiteter Eiche machte. Dennoch gelang es mir, mich eisern festhalten. In der Hoffnung, das Schlimmste damit überstanden zu haben, wollte ich mich absetzen lassen. Doch in diesem Augenblick begann Kinkin mit ihrer Begrüßungszeremonie.
„Kinkin!“ Mit einer ruckartigen Bewegung fuhr ihre Hand in die Höhe und wurde wild hin und her geschleudert. Ich nehme an, Kinkin würde die Bewegung als „Winken“ bezeichnen, wenn sie sprechen könnte. Jedenfalls überforderte der enthusiastische Gruß meine Kräfte. Mit einem erschreckten Aufschrei – ich bin nun einmal Italiener und kein Brite – verlor ich erneut den Halt und flog wild um die eigene Achse kreisend durch die Luft. Seltsamerweise machte ich mir weniger Sorge um meine Unversehrtheit als um den Eindruck, den meine absurde Einlage bei Julie hinterlassen musste.
Mein Aufschlag war jedoch unglaublich angenehm. Das Schicksal wollte es, dass ich genau da landete, wo ein Gentleman eine Dame eigentlich nicht in der Öffentlichkeit berührt. Julie störte sich jedoch nicht an solchen Konventionen. Lachend drückte sie mich nur noch fester an ihren Busen. Wo ich nun einmal da war wäre es schon unhöflich gewesen mich zu wehren, nicht wahr?
„Du musst Kinkin sein“, sagte sie, als wäre ich nicht da. Ihre zärtlichen Hände hatten mich jedoch nicht vergessen.
„Kinkin!“, meinte Kinkin fröhlich.
„Na, du weißt jedenfalls, wie man eine Dame schnell mit der perfekten Erfrischung zufrieden stellt.“ Bei diesen Worten sah Julie mich so verliebt an, dass ich jeden Augenblick wie flüssige Butter durch ihre Finger rinnen würde. Kinkin freute sich so sehr über das Kompliment, dass sie glücklich mit beiden Armen wedelte. Dabei musste sie auch die kleine Vase vom Fensterbrett gestoßen haben, deren Scherben mir später auffallen sollten. Ich hatte jedoch keine Chance, das Ende des hässlichen Gefäßes selbst wahrzunehmen. Als Julie mich zaghaft küsste, versank die Welt um mich.
Meine Erinnerung setzte leider erst ein paar Minuten später wieder ein, als ich mit meinem kleinen Kobold im Salon saß. Barfuß hatte sie sich mit angezogenen Beinen auf einem von Fiddleburys Ohrensesseln niedergelassen. Ich saß auf ihren Knien und genoss ihren Duft. Wenn menschliche Nasen wahrnehmen würden, wie gut einige Frauen duften, wäre das Parfum nie erfunden worden.
Während mich ihre Finger mit Streicheleinheiten überschütteten, berichtete mir Julie, wie sie mit einem vorgeschobenen Besuch bei einer Freundin ihren Vater überlistet habe. Weit schwieriger als das Loseisen war es jedoch gewesen, mich zu finden.
„Zuerst habe ich natürlich bei Charles vorbeigeschaut“, erzählte sie. „Aber da war nur dieses andere dampfgetriebene Dienstmädchen.“
„Fifi“, bestätigte ich.
„Oh?“, ahmte Julie meisterhaft Fifis Stimme nach. „´übsches Miss Blackwell? I´r bestimmt suc´t mein drollisch Chérie?“ Ich kringelte mich vor Lachen. Julie drohte in gespieltem Ernst mit dem Finger. „Aha? Du lachst mich also aus, wenn ich dir von anderen Frauen erzähle, die Kosenamen für dich haben?“
„Na, immerhin hat sie dich ´übsch genannt. Ich bin nur drollisch “, zog ich sie auf.
„So habe ich das noch gar nicht betrachtet.“ Wenn sie in übertriebener Nachdenklichkeit die Stirn in Falten legte, sah sie einfach zum Anbeißen aus – nicht dass dies bei glatter Stirn anders gewesen wäre. „So eine glänzend polierte Metallhaut hat etwas Sinnliches … und außerdem räumt Fifi gerne auf, nicht wahr? Vielleicht sollte ich …“
In diesem Moment legte ich ihr die Hand unter das Kinn und schaute ihr tief in die Augen. Von einem Augenblick auf den anderen schienen sich die Größenverhältnisse umzukehren. Sanft zog ich sie zu mir heran und küsste sie. Ihre Lippen waren so unsagbar weich, dass ich erneut jedes Zeitgefühl verlor. Die Rückkehr in die Wirklichkeit war umso schmerzhafter.
„Sodomie!“ Fiddlebury schien urplötzlich im Zimmer materialisiert zu sein und schrie uns in schrillem Ton an. Er war so aufgebracht, dass sich seine Stimme überschlug. „Das ist ekelhaft! Pervers! Abartig!“ Schneller, als ich denken konnte, hatte er Julie an den Haaren
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