Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
England bringen würde, und mit etwas Glück würde man ihn bereits in wenigen Monaten gegen einen britischen Offizier austauschen. Dann würde er wieder in sein altes Regiment zurückkehren und weiter seinen Kriegsdienst versehen. So lief es in der Welt der Offiziere.
Bei den gewöhnlichen Soldaten war es jedoch anders. Gerieten sie in Gefangenschaft, war ihr Schicksal ungewiss. Viele verrotteten bei lebendigem Leibe über Jahre in einer der Hulks bei Dartmouth oder wurden von Presskommandos zum Dienst auf den Schiffen des Feindes gezwungen. Für die Offiziere galten andere Regeln. Für diejenigen, die Glück hatten und am Leben blieben, um erneut in eine Schlacht zu ziehen. Vielleicht, so sinnierte der Major, war England gar keine so schlechte Wahl. Er spürte, wie Neugier in ihm aufkam. Ja, er war gewillt, den wahren Charakter der Menschen näher kennenzulernen, für die er seit vielen Jahren nichts als Hass empfand. Die Menschen, die seine Frau und seine Kinder auf dem Gewissen hatten … die sein Leben zerstört hatten.
Und daher hielt Malbec dem englischen Offizier den Degen hin. »Sir, es wäre mir eine Ehre, wenn Ihr meine Kapitulation akzeptiertet. Ich könnte den Kampf fortsetzen. Aber ich bedaure, heute habe ich nicht das Verlangen, weiter zu töten.«
Argyll lächelte. Ursprünglich war es seine Absicht gewesen, diesen Mann zu töten, mitsamt dessen Infanteristen. »Keine Schonung« hatte der Befehl gelautet, den er vor dem Angriff seinem Bataillon erteilt hatte. Aber dieser französische Offizier hatte irgendetwas an sich. Der Herzog konnte es nicht recht erklären, doch er spürte, dass es nicht richtig wäre, den Major auf diese Weise ins Jenseits zu befördern. Vielleicht lag es an dem Verhalten des Mannes. Oder an dem kühnen Ausdruck in seinen Augen, vielleicht auch an dem vernarbten, von Entbehrungen zerfurchten Gesicht. Womöglich hatte er, Argyll, mit dem Franzosen mehr gemein, als es auf den ersten Blick den Anschein hatte: Jahre der Erfahrung in unzähligen Schlachten. Eine Art unsichtbares Band zwischen gegnerischen Offizieren. Daher akzeptierte er Malbecs Degen und sah, wie seine Männer die Musketen der Feinde auf einen Haufen warfen und die Toten fortschleiften. Dann setzte der Herzog sich auf einen Mauervorsprung und wartete auf die Rückkehr von Sergeant McKellar.
***
Doch, es gibt noch eine Möglichkeit, schoss es Steel durch den Kopf. Eine letzte Chance, Trouin aufzuhalten. Und diese Gelegenheit wollte Steel nutzen. Er wendete den Blick von dem toten französischen Lieutenant und sagte zu Slaughter: »Es muss ein Pulvermagazin an Bord geben. Trouin hat die Geschütze unter Deck gelassen. Also wahrscheinlich auch das Pulver. Jacob, habt Ihr noch eine Zunderbüchse und ein Stück Lunte?«
»Sir. Aber wie wollt …?«
»Kommt mit.« Zu Cussiter rief er: »Ihr auch, Dan. Helft mir.«
Cussiter ließ den gefesselten Stringer in der Obhut der beiden Grenadiere im Boot und eilte zu Steel. Gemeinsam streiften sie unter Deck durch das Schiff und fanden, wonach sie suchten. Doch Trouin hatte offenbar mehr Pulver von Bord schaffen lassen, als Steel lieb sein konnte. Einige Fässer waren feucht. Aber Steel gab nicht auf; er war davon überzeugt, dass der Rest des Pulvers für seine Zwecke reichte. Inzwischen hatten sie die Hafeneinfahrt passiert und hielten unter Groß- und Focksegel auf die Flotte zu. Allerdings waren sie noch gut eine halbe Meile von dem ersten englischen Schiff entfernt. Während sie die verbliebenen Pulverfässer eng zusammenstellten, erklärte Steel den Kameraden seinen Plan.
»Wir müssen die Flotte warnen. Das ist die einzige Möglichkeit. Wir müssen dieses Schiff in die Luft jagen.« Steel wendete ein Seil mehrfach im Schießpulver, steckte es in eins der Fässer und legte die Lunte bis ans Deck. Slaughter hatte ihm eine Grenadierslunte gereicht, und so wartete Steel, dass sie herunterbrannte.
Derweil war Cussiter wieder im Dingi. Da sich Trouins Brigantine in der Morgenröte immer weiter einer der Bombarden näherte, wusste Steel, dass er keinen Augenblick zögern durfte.
»Bringt Euch in Sicherheit, Jacob. Ich springe über Bord, wenn ich die Zündschnur in Brand gesetzt habe.«
Der Sergeant schüttelte den Kopf. »Ich gehe nicht ohne Euch, Mr. Steel.«
»Doch, verdammt. Runter vom Schiff, Sergeant. Das ist ein Befehl! Springt, Mann!«
Slaughter setzte erneut zum Protest an, doch Steel fackelte nicht lange und stieß den großen Mann einfach über Bord. Er
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