Steels Duell: Historischer Roman (German Edition)
ab. »Bei Gott, Jacob! Sollte das nicht ein Überraschungsangriff werden? Mein Befehl lautet, bis zum Feind vorzurücken, ohne dass ein Wort gesprochen wird. Was wird jetzt aus der Überraschung? Die Franzosen werden uns zum Frühstück verspeisen. Wer, zum Teufel, sind diese beiden Männer? Gehören die zu uns? Kenne ich die überhaupt?«
Slaughter schüttelte den Kopf. »Sind beide neu, Sir. Aber die machen Euch keine Schwierigkeiten mehr, könnt Ihr Euch drauf verlassen, Sir«, grummelte er.
»Das will ich glauben, Jacob. Wenn Ihr Euch die beiden vorknöpft. Aber für all das ist es jetzt zu spät. Das werden die Männer früh genug von den Franzosen lernen. Wenn die weiter so reden, erleben sie den nächsten Morgen nicht. Ist nicht Euer Fehler. Diese Armee ist auch nicht mehr das, was sie einmal war.«
Steel wusste, dass seine Einschätzung stimmte. Dies war nicht mehr die Armee, die vor zwei Jahren bei der Schlacht von Blenheim ihre Fahnen und Bajonettspitzen tief in die Reihen der Franzosen getragen hatte. Damals hatten sich die französischen und bayerischen Verbände humpelnd ins Elsass zurückgezogen. Im Verlauf jenes blutigen Feldzuges waren die Verluste auf beiden Seiten hoch gewesen, und auch Steels Einheit – Colonel Sir James Farquharsons Regiment of Foot – war nicht verschont geblieben. Seither hatte es immer wieder Gefechte gegeben, aber von den Männern, mit denen Steel vier Jahre zuvor in den Krieg gezogen war, war kaum mehr als die Hälfte übrig geblieben. Die gefallenen Kameraden waren durch unerfahrene Rekruten ersetzt worden, von denen einige frisch aus England kamen.
Das Verhalten der beiden streitfreudigen Soldaten war typisch für die Unerfahrenheit in weiten Teilen der Truppe. Steel schüttelte den Kopf, als er kurz stehen blieb und weitere Männer im Nebel gewahrte. Er sah, wie ein Soldat auf dem morastigen Boden ausrutschte und seine Muskete und die hohe Mütze verlor, die jeder Grenadier mit Stolz trug – so unerfahren er auch sein mochte. Trotz aller Verluste wusste Steel aber auch, dass die Kameraden, die im Verlauf der letzten beiden Jahre überlebt hatten, die besten Männer waren, die man zur Zeit auftreiben konnte. Mochte Marlborough die Armee geformt haben, diese Kompanie gehörte mit Herz und Seele Jack Steel.
***
Müde fuhr Steel sich mit einer Hand übers Gesicht. »Ich sag Euch was, Jacob. Was diese Armee braucht, ist ein weiterer Sieg. Ein zweites Blenheim. Und das weiß auch Marlborough nur zu genau. Deshalb sind wir ja hier, in diesem verdammten Nebel.«
Aus den Schwaden schälten sich zwei große Gestalten. Offizierskameraden von Steel, die die charakteristischen scharlachroten Uniformröcke mit der blauen Abzeichenfarbe von Farquharsons Regiment trugen. Einer der beiden war ein Lieutenant Ende zwanzig, der andere ein Fähnrich von neunzehn Jahren. Anders als Steel, der sich das lange braune Haar mit einem schwarzen Seidenband im Nacken zusammenband, trugen die beiden Kameraden elegante, wallende Perücken, die ihnen bis auf die Schultern fielen.
Der Ältere der beiden sagte ein wenig außer Atem: »Jack, Gott sei Dank! Kaum was zu erkennen in dieser trüben Suppe. Hast du überhaupt eine Ahnung, wo wir sind?«
»Ausnahmsweise muss ich gestehen, dass ich genauso verwirrt bin wie du, Henry. Aber da wir uns immer in westlicher Richtung gehalten haben, nehme ich an, dass wir uns allmählich der uns zugedachten Position nähern.«
Lieutenant Henry Hansam griff in seine Rocktasche und holte eine verzierte silberne Schnupftabaksdose hervor, nahm eine Prise und fuhr fort: »Hilf mir mal auf die Sprünge, Jack. Was genau sollen wir eigentlich in diesem verfluchten Sumpfgebiet?«
Steel zog eine Augenbraue hoch, blickte Slaughter an und zwinkerte ihm zu. »Würdet Ihr dem Lieutenant den Gefallen tun, Sergeant?«
Slaughter lächelte, wusste er doch, was Steel vorhatte. Sie hatten die Schrecken von vier Kriegsjahren gemeinsam durchlebt und waren einander in so tiefer Freundschaft verbunden, dass sie wohl einzigartig war bei einem Offizier und dessen Sergeant. Mochten viele der ranghöheren Offiziere den lockeren Umgangston bei den Grenadieren mit Argwohn oder Unverständnis quittieren – es war dieses Einvernehmen zwischen einem Captain und seinem Sergeant, das dieser Kompanie innerhalb der Armee den Ruf der Unbesiegbarkeit gesichert hatte. Wann immer Steel und Slaughter in die Schlacht zogen – der Feind konnte ihnen nichts entgegensetzen, dem sie nicht gewachsen
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