Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
trat ein. Das Wirtshaus war groß und mochte vor der Katastrophe von dem Pilgerweg profitiert haben, der durch diese Gegend führte. Zumindest hatte Colonel Hawkins ihm das erzählt. In der Schankstube roch es nach Alkohol und Pfeifenqualm. Allerdings war niemand da; daher ging Steel zu der Treppe, die in das erste Stockwerk führte. Er überlegte noch, ob er nach oben gehen sollte, als er ein leises Stöhnen von einer nur angelehnten Tür am anderen Ende des Raums vernahm. Steel wandte sich zu der Tür, zog sie auf und spähte in den Raum dahinter. Ein alter Mann saß in einem großen Holzstuhl, eingehüllt in eine Decke. Er schien im Schlaf vor sich hin zu murmeln.
»Das ist mein Vater.«
Beim Klang der leisen Stimme erschrak Steel und drehte sich um. Instinktiv hatte er den Knauf des Degens mit einer Hand umschlossen, sah aber im selben Moment eine junge Frau vor sich, die ihn auf Englisch ansprach.
»Tut mir leid, ich wollte Euch nicht erschrecken.«
»Das habt Ihr nicht, Miss. Ich war nur überrascht.«
Die junge Frau war außergewöhnlich schön. Sie hatte durchdringende blaue Augen und feines blondes Haar, das golden schimmerte. Steel war hingerissen von diesem Anblick.
»Ihr seid Engländer, ja?«
»Ja. Oder besser gesagt, Schotte, Miss.«
Er war sich nicht sicher, ob sie den Unterschied verstanden hatte, aber das war im Augenblick auch nicht so wichtig.
»Und Ihr seid Captain? Oder Lieutenant?« Umsonst suchte sie mit ihren wachen Augen nach einem Rangabzeichen an seiner Uniform.
»Lieutenant, Miss. Lieutenant Jack Steel aus Farquharsons Regiment. Im Dienste Ihrer Majestät Queen Anne.«
Er machte eine kurze Verbeugung. Als Louisa lächelte, war er erneut wie verzaubert von ihrer Schönheit.
»Ich heiße Louisa Weber, Lieutenant. Ihr seid uns willkommen. Dies ist das Wirtshaus meines Vaters. Euer anderer Offizier, Major … Jennings, hat mir erzählt, dass Ihr die Männer gefunden habt, die unserer kleinen Stadt so viel Unheil gebracht haben. Das war nicht das Werk der Engländer, sondern der Holländer. Ich versuche nur zu verstehen, was vorgefallen ist.«
Steel nickte, fragte sich aber gleich, was dieser Jennings der jungen Frau aufgetischt haben mochte. Wie hatte er das gemeint, sie hätten die Männer »gefunden«?
Louisa kniete sich neben ihren Vater und legte ihm einen Arm um die Schulter. Dann flüsterte sie dem alten Mann etwas auf Deutsch ins Ohr. Gewiss tröstende Worte an einem Tag, an dem es kaum Aussicht auf Trost gab. Als sie zu Steel aufschaute, füllten sich ihre schönen Augen mit Verzweiflung.
»Mein Vater ist krank. Wir sind auf Eure Gnade angewiesen. Mein Vater hat einen Vetter in England. Er wohnt in Harwich. Eine Stadt an der Ostküste, die vom Fischfang lebt. Sein Vetter dort ist Kaufmann. Ein sehr wohlhabender Mann, glaube ich. Wenn Ihr uns helfen würdet, nach England zu reisen, könnte ich Euch Geld geben, Lieutenant. Das habe ich schon Major Jennings gesagt. Er meinte, das ließe sich machen. Ich sagte ihm, der Vetter meines Vaters werde für alle Kosten aufkommen. Uns bleibt nichts anderes übrig. Wir sind ruiniert.«
Die junge Frau tat ihm aufrichtig leid. Sie hatte recht. In dieser Stadt konnten sie nicht mehr leben, Sielenbach existierte nicht mehr. Die Dragoner hatten nur die Kirche und das Wirtshaus verschont, aber wie sollte eine Schänke ohne Kundschaft auskommen?
»Natürlich, Miss Weber. Wir werden alles tun, um Euch zu helfen. Und Eurem Vater. Ihr braucht uns aber kein Geld zu geben. Was Jennings auch immer gesagt haben mag, ich bitte Euch, macht Euch keine Gedanken wegen des Geldes.«
Es war wieder einmal bezeichnend für einen Mann wie Jennings, über eine Bezahlung verhandelt zu haben. Steel bot der jungen Frau gerade die Hand und half ihr beim Aufstehen, als die Wirtshaustür aufging und Slaughter hereinkam. Der Sergeant räusperte sich, als er Steel durch die offene Tür im Hinterzimmer stehen sah.
»Mr. Steel, Sir. Ich wollte nur fragen, ob jetzt die Zeit wäre, den Männern ihre Ration Bier zu gönnen. Wir haben ganz schön trockene Kehlen.«
Steel trat aus dem Hinterzimmer in die Schankstube. »In Ordnung, Sergeant, lasst die Männer rein.«
Er wandte sich Louisa zu, die ebenfalls das Zimmer verlassen hatte. »Miss Weber, habt Ihr noch Bier für uns? Wir werden es selbstverständlich bezahlen. Und falls Ihr noch etwas zu essen haben solltet, wären wir Euch sehr verbunden. Ich für meinen Teil wäre Euch sehr dankbar, wenn Ihr noch Wein
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