Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
gewesen war, aber bereits einen Tag nach der Züchtigung hatte er den armen Kerl Cussiter in seine Kompanie aufgenommen. Der Mann war persönlich an ihn herangetreten und hatte ihn angefleht, Steel möge ihn aufnehmen. Cussiter hatte wahrlich Feuer, und Steel ahnte instinktiv, dass er beizeiten ein guter Grenadier würde. Aber natürlich war Cussiter voller Hass auf Farquharson und Jennings. Und da die Stimmung allgemein schlecht war, stand zu befürchten, dass ein Mann wie Cussiter schon bei geringem Anlass seinem Zorn Luft machen würde. Da war es ratsam, den Schwierigkeiten vorzubeugen. Sie mussten diese verfluchte Schänke finden – falls es sie noch gab. Die Männer hatten sich alle einen Humpen Bier verdient und sollten sich ausruhen.
Soldaten waren leicht zu handhaben, wenn man wusste, was sie zufriedenstellte. Colonel James (oder Septimus) Hawkins mochte ja recht haben, wenn er behauptete, ein Offizier müsse sich stets Respekt verschaffen, aber Steel wusste es besser. Wenn die Männer gut gelaunt waren, kämpften sie für ihren Offizier. Provozierte man sie aber zu sehr, lief jeder Offizier Gefahr, so zu enden wie ein Franzose.
Steel zügelte sein Pferd und sprang aus dem Sattel, hielt er es doch für das Beste, sich solidarisch zu zeigen und sich unter die Männer zu mischen. Hier, inmitten der schwelenden Ruinen, war es ohnehin nicht nötig, den Status als Offizier zu wahren, da wohl kaum mit einem Empfangskomitee vonseiten des Bürgermeisters zu rechnen war. Slaughter beäugte ihn mit freudlosem Blick.
»Bitte um Verzeihung, Sir, aber habt Ihr vor, dass wir hier die Nacht verbringen, in diesem gottverlassenen, verkohlten Fleck?«
»Das habe ich vor, Jacob. Dies hier ist Sielenbach, und mir scheint, dass dieser Ort anderen in nichts nachsteht, wenn es darum geht, die Stiefel auszuziehen.« Sofort fügte er hinzu: »Und denkt daran, soweit wir wissen, steht die Schänke noch.«
Ein Lächeln stahl sich auf Slaughters Miene. Er sagte zwar nichts, doch plötzlich wirkten seine Schritte beschwingter als Augenblicke zuvor.
»Die Stimmung ist schlecht, oder, Jacob?«
»Kann man wohl sagen, Sir. Die Männer fragen sich, was wir so weit südlich zu suchen haben. Und Ihr wisst ja so gut wie ich, Mr. Steel, dass die Jungs noch düstere Gedanken haben, wenn sie ohnehin schon am Einsatz zweifeln.«
»Steckt Cussiter dahinter?«
»Nein, der Bursche verhält sich ziemlich ruhig. Andere jedoch zeigen unverhohlener ihren Groll.«
Slaughter hielt inne und dachte nach.
»Ist dann wohl das Beste, wenn wir hier lagern, Sir. Und damit Ihr’s wisst, ich werde dafür sorgen, dass Dan Cussiter immer schön weit weg ist von unserem Freund dem Major, wenn Ihr wisst, was ich meine. War ’n verdammtes Pech, dass ausgerechnet Jennings unser anderer Offizier ist. Wenn ich das mal so sagen darf, Sir.«
»Nur zu, Jacob, ich habe nichts dagegen, wenn Ihr in diesem Punkt offen sprecht.«
Das Klacken der Soldatenstiefel auf dem trockenen, rußverschmierten Kopfsteinpflaster hallte durch die leeren Straßen. Die Stille durchbrach nur das Rattern der Wagenräder, als die Kolonne durch die Stadt rumpelte.
Nirgends bellten Hunde, nicht einmal Vögel zwitscherten. Der Geruch von verbranntem Holz hing schwer in der Luft.
Es war spät am Morgen, ein sonniger Sommertag. Für gewöhnlich war es zu dieser Tageszeit voll auf den Straßen, wenn die Händler und Stadtbewohner ihren Geschäften nachgingen. Heute jedoch war die Kirchenstraße wie leer gefegt, und die stolzen hohen Bürgerhäuser zu beiden Seiten der Hauptstraße sahen aus wie Stümpfe schwarzer, verrottender Zähne. Hier und da stieg noch Qualm aus den Ruinen, und die noch glühenden Kohlen erinnerten spöttisch an den verlorenen Komfort der Herdstätten.
Gelegentlich lag noch das Hab und Gut verstreut in den Straßen, das die Menschen bei der hastigen Flucht hatten fallen lassen, um schlimmerem Schrecken zu entkommen. Kleidungsstücke, Schuhe und Taschen lagen herum. Ab und an sah Steel Stoffpuppen und anderes Kinderspielzeug, angesengt und schmutzig, neben größeren Gegenständen wie Stühlen, Holztruhen oder Musikinstrumenten. Die wertvollen Dinge der Einwohner von Sielenbach hatten längst die holländischen Dragoner mitgenommen. Aber nicht alles. In der Gosse lag ein Gemälde mit vergoldetem Rahmen, auf dem Christus in seiner Herrlichkeit zu sehen war. Verloren ragte eine hohe Standuhr an einer Straßenkreuzung auf; die früheren Besitzer hatten offenbar noch
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