Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
versucht, die wertvolle Uhr zu retten, waren dann jedoch gezwungen gewesen, sie zurückzulassen. Bücher lagen verstreut herum; einzelne Seiten und Papiere wehte der Wind durch die Straßen.
Schließlich kam die Kirche in Sichtweite. Da es das bislang einzige Gebäude vor Ort war, das nicht bis auf die Grundmauern abgebrannt war, bestach es durch seine schlichte Würde. Als Steel mit seinen Männern den Marktplatz erreichte, wo die Kirchenfassade sich gegen den klaren blauen Himmel abhob, sah er, dass sich neben der Basilika noch ein zweites Gebäude erhob. Die Schänke stand tatsächlich noch, wie der holländische Captain es ihm beschrieben hatte. Das fröhlich bemalte Holz und die hellblauen Blumen in den Kästen bildeten einen seltsamen Kontrast zu der Verwüstung rings um den Marktplatz.
»Sergeant, wir machen hier Halt.«
Slaughter drehte den Kopf nach rechts.
»Abteilung – halt!«
»Fünfzehn Minuten Rast, Sergeant.«
Williams schloss auf, gefolgt von Jennings. Der Major schien verstimmt zu sein.
»Wir machen Halt, Mr. Steel? Sagt mir, was das soll.«
»Dies hier wird unser Lager für die Nacht.«
»Für die Nacht, Steel? Aber wir haben nicht einmal zwölf Uhr. Wir könnten noch Stunden marschieren.«
»Die Männer brauchen eine Pause, Sir. Und da ist dieser Ort nicht schlechter als andere. Vielleicht sogar besser als das offene Gelände. Außerdem gibt es hier eine Schänke.«
Jennings schaute hinüber zu dem bemalten Tavernenschild über der Tür, auf dem ein galoppierendes graues Pferd zu sehen war.
»Nun, Steel, wenn Ihr davon überzeugt seid. Obwohl ich nicht damit rechne, dass wir dort etwas halbwegs Anständiges bekommen werden.«
Er blickte zurück über die Wagenkolonne hinweg.
»Sergeant Stringer. Wo, zum Teufel, steckt der Trottel? Stringer! Meine Tasche.«
Jennings stieg ab und überquerte den Marktplatz, wie immer gefolgt von seinem diensteifrigen Sergeant, der inzwischen die Tasche des Majors aus der Kutsche geholt hatte.
»Oh, Major«, rief Steel ihm nach, »in der Schänke sind noch ein kranker alter Mann und dessen Tochter. Gebt Acht auf sie.«
Er sah Slaughter an.
»Ich hoffe doch, dass unserem Major die Unterbringung zusagt. Kommt, Jacob, sorgen wir dafür, dass dieser Haufen sich auf die Nacht einstellt. Die Wagen lassen wir hier auf dem Platz und in der Straße. In den nächsten Stunden werden hier wohl kaum weitere Wagen durchkommen. Ach, Jacob …?«
»Sir?«
»Die Männer sollen sich einen Schlafplatz suchen. Dort drüben ist ein Feld, hinter der Kirche. Sagt den Grenadieren, jedem Mann steht ein Humpen Bier in der Schänke zu … falls man noch welches bekommt. Und sagt ihnen, dass ich … dass Lord Marlborough die Kosten übernimmt.«
»Verstanden, Sir.«
»Oh, und noch etwas, Jacob. Nur damit Ihr es wisst, ich werde ebenfalls auf dem Feld schlafen. Jennings ist in der Schänke – mit seinem Affen –, und nichts in der Welt könnte mich dazu bringen, mit diesem Kerl unter einem Dach zu schlafen.«
***
Auf der anderen Seite des Marktplatzes angekommen, drückte Jennings die Tür der Schänke auf und trat ein, gefolgt von seinem Sergeant. Der Major war überrascht, hatte er doch fest damit gerechnet, die Spuren einer durchzechten Nacht in der Schänke vorzufinden. Doch statt schmutziger Weingläser und halb geleerter Humpen der letzten Kundschaft bot sich ihm eine saubere, gepflegte Schankstube. Der Raum war leer, wie zu erwarten, doch im Kamin brannte ein kleines Feuer, und auf der Anrichte stand ein Stapel Teller, als würde jeden Moment der Tisch gedeckt.
»Hallo? Irgendjemand zu Hause?«
Eine Tür im hinteren Bereich der Stube ging auf, und eine junge Frau kam herein. Wahre Schönheit erkannte Jennings stets auf den ersten Blick. Er beschloss in diesem Moment, dass er das Mädchen vor der Abreise verführen würde. Da wäre ihm jedes Mittel recht.
Die junge Frau sprach ihn in dem bayerischen Dialekt an. »Guten Tag. Oh, Ihr seid Soldat?«
»Ja, Engländer, Miss. Major Aubrey Jennings, aus Farquharsons Regiment. Zu Diensten.«
Er verbeugte sich galant und nahm den Hut mit ausladender Geste ab.
»Ihr seid Engländer? Dann kann ich ja Englisch sprechen.«
Ihre Stimme klang wunderbar sanft. Was für ein herrlicher Kontrast zu der harten, männlichen Welt, die er eben verlassen hatte. Ihre Worte jedoch waren verbittert.
»Sagt mir, Sir. Warum sollte ich den Engländern vertrauen? Eure Leute kommen hierher und brennen die Stadt nieder. Warum? Was haben
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