Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
hättet.«
Trotz der widrigen Umstände schien das Wirtshaus zu etwas wie Normalität zurückzufinden, und daher war Louisa froh, sich um ihre Gäste kümmern zu können.
Nach und nach kamen die Grenadiere in die Schankstube. Sie nahmen beim Eintreten ihre Mützen ab, ließen die Waffen an der Tür und nahmen in Gruppen an den Tischen Platz. Binnen Minuten war es laut in der Stube. Steel beobachtete, wie Louisa sich zwischen all den Männern bewegte. Wie munter sie auf einmal wirkte, von neuem Elan belebt. Steel blieb derweil im Hintergrund und saß allein in einer dunklen Ecke neben dem Kamin. Louisa hatte ihm einen guten Moselwein serviert, und obwohl er ihn rasch hätte austrinken können, ließ er sich Zeit und behielt die Männer im Auge. Auch Slaughter, der mit einigen älteren Soldaten zusammensaß, ließ Vorsicht walten. Aber weder Steel noch sein Sergeant brauchten sich Gedanken zu machen. An einem Tisch wurde Karten gespielt. In einer anderen Tischgruppe wurde ein Volkslied angestimmt, allerdings hatten die Männer die alten Verse durch anzügliche Strophen ersetzt.
Steel spürte, dass die Männer sich zum ersten Mal seit Tagen entspannten, und war zuversichtlich, dass seine Taktik sich auszahlen würde. Vom Tisch am anderen Ende der Stube fing Slaughter Steels Blick ein und nickte verhalten. Erst jetzt konnte auch Steel sich ein wenig entspannen und genoss es, von seinem Platz aus Louisa zu beobachten. Sie zwängte sich an den voll besetzten Bänken vorbei und servierte in der schlecht gelüfteten Schankstube die hohen Maßkrüge mit süßlichem, dunklem Bier. Wie aus dem Nichts hatte sie einen Eintopf gekocht, in dem zur Abwechslung kein Ungeziefer schwamm; der Eintopf war zwar eher eine dünne Suppe, dafür aber heiß, und zudem gab es gutes Schwarzbrot mit Schinken und Käse.
Die Soldaten machten keine Anstalten, Louisa in irgendeiner Weise zu belästigen, wussten sie doch, dass ihr Offizier anwesend war, der angekündigt hatte, die Zeche zu zahlen. Steel sah, wie Louisa lächelte; ein strahlendes Lächeln, das ihr hübsches Antlitz wie von innen zum Leuchten brachte. Unweigerlich fragte er sich, wie überzeugend Jennings sie mit seinen salbungsvollen Worten und Versprechungen verzaubert haben mochte. Im selben Moment wunderte Steel sich jedoch, warum er überhaupt eifersüchtig auf einen Mann wie Jennings war. Er kannte diese junge Frau doch gerade einmal eine Stunde. Hatte nur wenige Worte mit ihr gewechselt. Und dennoch hatte die Tochter des Wirts etwas an sich, das Steel seltsam vertraut war, beinahe tröstlich.
Da sah er, dass Williams das Wirtshaus betrat und sich umblickte. An einem Tisch schauten die Grenadiere auf und grinsten. Ein junger Fähnrich, der erst kürzlich dem Regiment beigetreten war, wurde immer schnell zur Zielscheibe des Spotts, auch wenn Williams sich seine Sporen in dem Gefecht mit den Franzosen verdient hatte.
»Tom! Hier drüben!«, rief Steel über das Stimmengewirr der Männer hinweg. »Setzt Euch doch auf ein Glas zu mir.«
Williams bahnte sich seinen Weg durch die Schankstube und nahm in Steels Ecke Platz, worauf Steel zwei Gläser füllte.
»Habt Ihr irgendwo unseren Major gesehen?«
»Nein, Sir. Ich dachte, er wäre hier.«
»Und wo ist Herr Kretzmer?«
»Keine Ahnung, Sir. Könnte aber in seiner Kutsche sein.«
»Also, Tom. Ich hatte Euch ja versprochen, Euch noch einmal nach Eurem ersten Gefecht zu fragen, wie es Euch als Soldat gefällt.«
»Ich habe meine Meinung nicht geändert, Sir. Obwohl ich schon zugeben muss, dass mich der Vorfall in Sattelberg zutiefst beunruhigt hat. Das war doch nicht das wahre Gesicht des Krieges, oder, Sir?«
»Nein, Tom. Krieg ist nicht oft so. Aber die Wahrheit über den Krieg ist auch, dass man nie sicher sein kann, was einen als Nächstes erwartet. Sattelberg war schlimm. Aber lasst Euch gesagt sein, dass Ihr während Eurer Zeit als Soldat noch Schlimmeres sehen werdet. Und dann werdet Ihr wiederum erleben, dass sich nichts dergleichen ereignet. Als Soldat führt man ein sehr aufregendes und andererseits sehr langweiliges Leben. Und wenn Ihr bei der Armee bleibt, so verspreche ich Euch, dass es keinen Tag geben wird, an dem Ihr nicht entweder vor Freude hüpfen oder Euch mit Schauder abwenden werdet.«
***
Drei Stunden später erging Tom Williams sich immer noch in Träumen vom Soldatentum. Steel half ihm auf. Vielleicht hatte der junge Fähnrich doch ein wenig zu viel von dem Moselwein gehabt. Inzwischen waren die
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