Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
die Stufen hinunter zum Marktplatz. Stringer wartete in den Schatten der Basilika. Als er Jennings sah, richtete er sich auf. Im Mondschein bot die Stadt einen wahrlich unheimlichen Anblick. Es war kalt, und selbst Jennings überkam ein sonderbares Unbehagen. Er trat zu seinem Sergeant.
»Ich möchte, dass niemand die Schänke betritt, verstanden? Keiner. Habt Ihr mich verstanden?«
»Sir. Ja, Sir.«
Jennings war schnell an der Tür und drückte dagegen. Der Riegel war nicht vorgeschoben. In der Schankstube war es düster. Eine einsame Kerze brannte noch, die Tische waren abgeräumt. Ein Lichtschein aus dem hinteren Bereich der Schankstube verriet Jennings, dass noch nicht alle Bewohner des Hauses schliefen. Gewiss würde er dort seinen Brandy bekommen. Und vielleicht noch andere Freuden genießen können …
Leise ging er über den Dielenboden, verhinderte mit einer Hand, dass der Degen klapperte, und stieß die Tür auf.
»Miss Weber, wie angenehm.«
Louisa erschrak und fuhr herum.
»Oh, Major Jennings. Ihr habt mich erschreckt. Tut mir leid. Ich war mit den Gedanken woanders.«
»Das ist verständlich für eine Frau in Eurer Situation. Ich habe mich nur gerade gefragt, ob ich noch ein Glas Cognac bekommen könnte. Oder starken Wein. Ich hatte viel zu tun. Berichte schreiben und dergleichen. Der Weinbrand würde mich ein wenig beruhigen. Wenn man das Kommando hat, bleibt eben keine Zeit, um mit den Männern zu trinken, müsst Ihr wissen.«
Louisa schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln.
»Ja, Major, natürlich. Ich glaube, wir haben noch etwas von dem guten französischen Branntwein. Ich werde ihn für Euch holen.«
Als Jennings tiefer ins Zimmer trat, stellte er zu seiner Überraschung fest, dass Kretzmer in einem Lehnstuhl schlief. Sofort reifte ein Plan in Jennings’ Kopf. Wie aufmerksam von dem fetten Bayern, dachte er mit einem Grinsen.
Louisa stand mit dem Rücken zu ihm, stellte sich auf die Zehenspitzen und streckte die Hand nach dem obersten Regal des Schranks aus, wo sie die teureren Flaschen aufbewahrten. Der Major hatte ja versprochen, alles zu bezahlen. Sie spürte, dass der Mann dicht hinter ihr stand, und fühlte seinen Atem im Nacken.
»Ihr erinnert Euch bestimmt an unser letztes Gespräch, meine Liebe. An unseren Handel. Ich versprach Euch, dass ich Euch sicher nach England geleite. Und da haben wir uns doch auf eine Summe geeinigt, nicht wahr?«
Louisa drehte sich zu ihm um; es war schwierig, Körperkontakt zu vermeiden, weil der Major ihr so nah gekommen war. Geistesgegenwärtig hielt sie die Branntweinflasche zwischen sich und Jennings.
»Euer Brandy, Major.«
Jennings wich nur ein kleines Stück zurück.
»Ihr erinnert Euch doch an die Summe, über die wir sprachen, Miss Weber … Louisa?«
Sie nickte. »Ja, Major. Aber die Dinge haben sich geändert. Lieutenant Steel hat mir versprochen, mich zu Eurer Armee mitzunehmen. Er sagte, es würde uns nichts kosten. Und dass er mich beschützt.«
Etwas Schlimmeres hätte sie nicht sagen können. Sie hatte ihr Schicksal selbst besiegelt.
»Ah, das hat Euch Mr. Steel also gesagt? Lasst mich Euch kurz daran erinnern, Miss Weber, dass wir uns handelseinig waren. Und nach meinen Wertmaßstäben ist ein einmal geschlossener Handel nicht mehr rückgängig zu machen. Also, Miss. Ihr werdet zahlen müssen, es sei denn, Ihr zieht es vor, dass wir Euch der Gnade der Franzosen überlassen.«
Er hielt inne und lächelte.
»Es gibt da natürlich noch eine andere Möglichkeit. Ihr könntet Euer hart verdientes Geld behalten und uns beiden zu einer angenehmen Abwechslung verhelfen.«
Louisa erbleichte und starrte Jennings fassungslos an. Hatte sie das richtig verstanden? Verlangte er wirklich von ihr, dass sie sich für Geld anbot, um sich die Reise nach Norden zu verdienen?
»Major, das habt Ihr doch eben nicht so gemeint, oder?«
Jennings nickte und lächelte weiter.
»Nein, das ist nicht Euer Ernst«, bekräftigte sie.
Sein Atem beschleunigte sich.
»Oh doch, meine hübsche Louisa. Genau so meine ich es. Und es ist mir sehr, sehr ernst.«
Er sah, wie sich Abscheu auf ihrem Gesicht abzeichnete.
»Was?«, sagte er. »Nein? Dann nehme ich mir eben umsonst, was ich will.«
Louisa wollte schreien, doch Jennings drückte ihr bereits grob eine Hand auf den Mund. Die Hand stank nach Wein und Schmutz. Louisa versuchte noch, ihm in die Finger zu beißen, doch es gelang ihr nicht. Jennings zog die junge Frau unsanft an sich und zischte in
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