Steels Ehre: Jack Steel und die Schlacht von Höchstädt 1704. Historischer Roman (German Edition)
enge Straßen und stieg hinab zum Flussufer. Dort balancierte er über die Körper der Verwundeten, die sich zum Sterben ans Ufer geschleppt hatten und das Wasser mit ihrem Blut rot färbten, entledigte sich seiner Jacke und sprang in den Fluss, fest entschlossen, hinüber zu den alliierten Linien zu schwimmen. Denn er hatte eine Nachricht zu überbringen.
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Steel rieb sich das Gesicht mit beiden Händen und versuchte, die Hoffnung nicht aufzugeben. Wie nicht anders zu erwarten, war auch die zweite Angriffswelle verebbt. Zwar war es ihnen gelungen, die Franzosen von den Palisaden zurückzudrängen und hier und da bis in eine Straße vorzudringen, aber es war alles umsonst gewesen. Blenheim war ein sonderbares, weit verzweigtes Dorf. Eine Ansammlung von Gehöften, dicht an dicht, jeweils mit Höfen und Einfriedungen aus Stein. Dadurch wurde jedes dieser Häuser zu einer kleinen Festung. Der Ort war vollgestopft mit französischer Infanterie.
Steel schätzte die Zahl der Gegner auf zwanzigtausend Mann. Angesichts der drückenden Überzahl des Feindes und der uneinnehmbaren Stellungen hatten die Rotröcke sich zurückziehen müssen. Also kümmerten sie sich um ihre Wunden und zählten die Gefallenen der Kompanien. Der Blutzoll war sogar noch höher als beim ersten Ansturm. Besonders die Grenadiere hatten schwere Verluste hinnehmen müssen. Siebzehn Mann waren getroffen, zehn von ihnen würden nicht durchkommen. Schlimm für Steel war, dass Nate Thomas eine Kugel in die Brust bekommen hatte und langsam und jämmerlich krepierte.
Steel hockte im Gras, in einer Mulde, die Schutz vor dem Dauerbeschuss aus den Verschanzungen Blenheims bot. Bei ihm war der Rest seiner halben Kompanie. Gedankenversunken starrte er hinunter zur Donau und fragte sich, wie lange man ihnen eine Atempause gönnte.
Slaughters Hüsteln holte Steel in die Gegenwart zurück. Der Sergeant brachte zwei Grenadiere mit, die einen Gefangenen in ihrer Mitte hatten.
»Mr. Steel, Sir. Dachte, der hier könnte Euch interessieren. Hab ihn unten am Fluss erwischt. Er hat namentlich nach Euch gefragt.«
Der Sergeant grinste nun und trat beiseite, sodass Steel den Gefangenen besser sehen konnte. Der Mann war bis auf die Haut durchnässt und trug nur noch sein Hemd und seine Breeches. Doch ein Blick genügte, und Steel hatte ihn erkannt. Dieses schiefe Grinsen konnte nur einem gehören: Sergeant Stringer.
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Marlborough lächelte. Es stand ihm auch zu. Auf den Feldern zwischen Blenheim und Oberglauheim hatte er inzwischen achtzig Schwadronen Kavallerie, zumeist Engländer, und nicht weniger als dreiundzwanzig Bataillone Infanterie antreten lassen. Unter den Fußtruppen befanden sich einige der besten Regimenter Ihrer Majestät Queen Anne. Der Herzog suchte die feindlichen Linien mit seinem Fernrohr ab und reichte es schließlich Cardonell. »Sagt mir, was Ihr seht, Adam.«
»Ich sehe Kavallerie, Sir. Etwa fünfzig Schwadronen. Und Infanterie, Euer Hoheit. Neun, vielleicht zehn Bataillone.« Er gab dem Herzog das Glas zurück, der es zusammenschob und weiterhin lächelte.
»Gentlemen, ich denke, wir haben sie. Sie sind uns im Zentrum unterlegen, zwei zu eins, stellenweise drei zu eins, wenn ich mich nicht irre. Wir dürfen nun keinen Moment zögern. Cadogan, gebt den Befehl zum allgemeinen Vorrücken.«
Kurz darauf bewegten sich die großen Linien der Kavallerie und der Fußtruppen, die der Oberbefehlshaber so sorgfältig zwischen den Dörfern hatte aufmarschieren lassen, langsam und zielgerichtet über die Felder. Die Franzosen, die sich eben noch als Sieger gefühlt hatten, erkannten sofort, dass das Schicksal sich gegen sie verschworen hatte. Die Masse aus rot und blau uniformierten Soldaten marschierte über die Ebene und nahm die leichte Steigung hinauf zu den französischen Linien.
Marschall Tallard, der unlängst von einer Besprechung mit Marsin in die Mitte der eigenen Linie zurückgekehrt war, sah die Gegner kommen. Hektisch rief er nach Verstärkung, schaute sich um und sah niemanden.
Marsin wandte sich an einen seiner Berater. Wo, fragte er, blieb die Reserve? Jene zwölf Bataillone, die er speziell für diese Aufgabe vorgesehen hatte? Der Berater sah ihn nur verblüfft an und zog die Brauen hoch. Dann deutete er zum rechten Flügel und sagte: »Clerambault.«
Tallard schaute in die Richtung, in die der Mann zeigte, und entdeckte nahe der Donau das kleine Dorf Blindheim. Und in diesem Moment wusste er, dass die Schlacht verloren
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