Stefan Bonner und Anne Weiss
Wikipedia oder den Publikumsjoker zu benutzen: Wis sen Sie, wie der erste Bundespräsident Deutschlands hieß? Kennen Sie drei der längsten Flüsse Deutschlands, und wissen Sie, durch welche Bundesländer diese fließen? Könnten Sie erklären, wie in Deutschland ein Gesetz verabschiedet wird und welche Instanzen es durchläuft? Oder noch einfacher: Wer ist unser derzeitiger Ver kehrsminister?
Wissen Sie nicht?
Nun ja, wir auch nicht.
Herzlichen Glückwunsch, Sie gehören wie wir zur Generation
Doof.* Wir wissen nichts – aber das weiß wenigstens eine ganze Nation. Wer zur Generation Doof gehört, geht ständig mit der Furcht durchs Leben, hoffentlich von niemandem des Blödsinns überführt zu werden. Manche – und das ist besonders gefährlich – sind sogar stolz drauf, etwas nicht zu wissen.
Über unser Unwissen stolpern wir in diversen Schulprüfungen, bei denen wir immer Gefahr laufen, über den nicht gelernten Unterrichtsstoff befragt zu werden, ebenso wie in der Magisterprüfung in Geschichte, wenn sich der Prof darüber wundert, warum wir Watergate für die Wildwasserbahn im Disneyland halten. Situationen des beruflichen Alltags werden zu bösen Fallen, wenn beispiels weise der Chef fragt, um wie viel Prozent wir die Umsatzrendite steigern könnten. Wir möchten dann immer auf dem Absatz kehrtmachen oder möglichst tief hinter dem Schreibtisch versinken. Und aus dem geistigen Off erklingt in solchen Momenten eine Stimme, die flüstert: »Lass den jetzt bloß nicht merken, was für ein Vollidiot du in Wirklichkeit bist!«
* Falls Sie es doch gewusst haben, schwören Sie bei der Richtigkeit Ihrer Steuererklä- rung, dass Sie nicht gepfuscht haben. Sollten Sie das guten Gewissens tun können, dürfen Sie ruhig weiterlesen und sich über uns Doofe amüsieren!
Jedes Mal, wenn wir in so eine peinliche Situation geraten, uns mal wieder der Angstschweiß in die Unterhose läuft und wir Probleme mit der Peristaltik bekommen, wundern wir uns insgeheim gleichzeitig darüber, wie viele Dinge wir nicht wissen, die wir zu wissen glaubten oder von denen wir zumindest wissen, dass man sie wissen sollte. Man kann sich natürlich mit dem auf Sokrates beruhenden Gedanken trösten, dass einer, der weiß, dass er nichts weiß, mehr weiß als einer, der nicht weiß, dass er nichts weiß. Aber Hand aufs Herz: Es wäre schon praktisch, wenn man zum Beispiel eine Ahnung davon hätte, wie man bei Gericht Klage einreicht, ohne gleich horrende Anwaltshonorare zahlen zu müssen.
» Wer keine Ahnung hat,
einfach mal die Fresse halten.« Dieter Nuhr Manchmal sind es völlig banale Dinge, über die man nicht so genau Bescheid weiß. Eine Mitschülerin fragte uns in der Suchtpräventi-onsstunde einmal, wer denn eigentlich dieser Mario Hana sei, von dem der Lehrer gerade redete. Ein anderes Mal wollten wir uns mit Freunden zum Urlaub auf La Palma treffen. Dort angekommen, riefen sie uns an und fragten, wo wir denn seien, sie stünden schon eine ganze Weile am Flughafen – in Palma de Mallorca. Manche wollten auch nach Skandinavien und landeten in Finnland. Es gibt solche Situationen, in denen man besser wüsste, dass UNO nicht bloß ein Kartenspiel ist. Dass Polkappen nicht nur an der Autobat terie zu finden sind. Dass man aus einem Ganzen nicht zwei Drittel machen kann. Dass der Kuchen einfällt oder explodiert, wenn man keinen Schimmer davon hat, wie viele Milliliter in einen Viertelli ter reingehen. Oder dass es nicht gut ankommt, wenn man auf die Frage, wer den Bundeskanzler wählt, laut »Ich!« ruft.
»Ob nun Shakespeare oder Goethe, die sind
mir doch scheißegal!«
Alte deutsche Volksweisheit nach Zlatko und Jürgen Mit unserer Allgemeinbildung gehen wir um wie Darth Vader mit der Caritas – sie geht ihm am gepanzerten Arsch vorbei. Unsere El-tern und Großeltern verfügen da oft noch über ein umfassenderes Wissen als wir – allerdings eines, das wir lächelnd als überflüssig abtun. Jeder kennt wohl den Satz, den er dutzende Male von Eltern, Großeltern und Lehrern gehört hat: »Als wir in deinem Alter wa-ren, wussten wir so was.« Aber heißt das automatisch, dass wir das Gleiche wissen müssen wie sie?
Tatsächlich können unsere Eltern noch heute häufig Schillers Balladen auswendig zitieren, Oma kann textsicher und aus voller Kehle deutsche Volksweisen mitgrölen, und unser Geschichtslehrer erging sich in Lobreden auf Kaiser Franz.
Wir dachten derweil unwillkürlich an Beckenbauer und ertapp ten uns dabei,
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