Stefan Bonner und Anne Weiss
Schüler die Fähigkeit, komplexe Zusammenhänge zu erkennen oder gar größere Prob leme zu lösen.
Manche Mutter ruft nun sicherlich empört aus, dass das kein Wunder sei. Schließlich würden die Kinder ja in der Schule völ-lig überfordert und in ihrer Einzigartigkeit nicht ernst genommen. Der kleine Philipp oder die süße Carina seien nach der Schule oft so fertig, dass sie die Katzenklappe nicht mehr vom Briefschlitz unterscheiden könnten. Stimmt das? Wollen die Lehrer zu viel von ihren Schülern – oder unterfordern sie die Kinder?
Eines steht zumindest fest: Die geistigen Fähigkeiten der Generation Doof schrumpfen immer weiter auf Bröckchengröße. Das Hirn des Durchschnittsschülers scheint weniger Kapazitäten zu be sitzen als ein alter Commodore 64. Gedächtnisforscher haben herausgefunden, dass der geistige Arbeitsspeicher eines Schülers nur zu zwanzig Prozent vom Lehrer gefüllt wird, weitere zwanzig Prozent werden vom Sitznachbarn beansprucht. Die restlichen sechzig Pro zent dösen im Stand-by-Modus vor sich hin.
Wie soll man da noch Wissen vermitteln, und das in inzwischen maximal zwölf Jahren, Ehrenrunden nicht mitgerechnet? Ohnehin gleicht das Lernen an deutschen Schulen und Unis kurzfristiger Saisonarbeit. Der vermittelte Stoff wird für die nächste Klassenar beit oder Klausur gepaukt, danach verschwindet er auf Nimmer wiedersehen im Nirwana MTV-verstrahlter Gehirnwindungen.
Wer das weiß und sich dennoch vor die Aufgabe gestellt sieht, möglichst viel Wissen in Schülerköpfe zu zwängen, verzweifelt schnell. Vor allem dann, wenn man sich davor fürchten muss, dass die Benotung der mangelhaften Ergebnisse Unwillen erregt.
Petra Sahler berichtet von einem besonders krassen Fall: Nachdem eine Kollegin einem Schüler eine Fünf in Deutsch verpasst hat-te, wurde sie tags darauf beim Spaziergang von dessen Vater im Auto verfolgt. Der fuhr mehrere Male mit Vollgas auf sie zu und kam stets erst in letzter Sekunde mit einer Vollbremsung vor ihr zum Stehen. Dann stieg er aus und drohte ihr, demnächst nicht mehr zu bremsen, wenn sie seinem Sohn noch mal eine solche Note verpassen würde. Angesichts von Rütli-Schülern und Amokläufern ist es nicht verwunderlich, dass auch Petra Sahler es mit der Angst zu tun bekam.
»It’s a fucked up world, a fucked up place everybody’s judged by their fucked up face, fucked up dreams, fucked up life,
a fucked up kid with a fucked up knife, fucked up moms and fucked up dads.«
Limp Bizkit Auf elterliche Unterstützung kann heute kein Lehrer mehr bauen. Viele Pädagogen sehen sich ihrer Aufgabe nicht mehr gewachsen, fühlen sich ausgebrannt und überfordert. Lehrer sind zur Zielschei be der Verachtung geworden, obwohl dieser Beruf vor wenigen Generationen noch zu den Tätigkeiten mit dem höchsten Sozial-prestige gehörte.
Dass es jetzt ganz anders aussieht, zeigt der Eintrag eines Schü- lers in einem Webforum: »Wir hatten bis vor Kurzem eine unfä hige Referendarin an unserer Schule. Die konnte nichts. In einer Stunde hat sie DREI Versuchslampen zerschrottet, weil sie eine zu hohe Voltzahl eingestellt hatte. Natürlich hat sie erst mal uns die Schuld in die Schuhe geschoben, obwohl wir ihr gesagt hatten, dass es vielleicht zu viel Volt sind. Vor ein paar Wochen hatte sie dann Prüfungsstunde mit ‘ner 13. Stufe. In der Stunde hat sie die ganze Zeit versucht, ein Experiment zu zeigen. Hat sie aber nicht hin bekommen. Deshalb ist sie heulend rausgelaufen und hat gesagt: »IHR SEHT MICH HIER NIE WIEDER!!!!«
Ob der junge Mann mit seinem gnadenlosen Urteil recht hatte oder nicht: Es sind in der Tat häufig die Referendare, die der Alltags-schock unvorbereitet trifft. In den Uniseminaren herrschte gerade noch eine kuschelige Atmosphäre; die Konfrontation mit der Re-alität kommt daher ziemlich überraschend. Völlig hilflos habe er oft vor dreißig Teens gestanden, gab uns ein Nachwuchslehrer zu Protokoll. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass sich die Motivation der angehenden Pauker bald auf die Pausen und den Feier abend konzentriert.
Viel zu häufig entscheiden sich ohnehin die Falschen für die sen Beruf. Das denkt auch Ex-Gymnasiallehrerin und Buchautorin Marda Bayerwaltes, die sich darüber ärgert, dass das Lehrerzimmer »zu einem Auffangbecken für Studienversager, Mittelmäßige, kurz gesagt für Doofe, Faule und Kranke« geworden sei.
Aber anstatt diese Menschen auszubuhen, freuen wir uns doch lieber, dass überhaupt noch jemand den
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