Stefan George - Karlauf, T: Stefan George
vermuten, dass George und er gemeinsame Ausflüge unternahmen, möglicherweise bis Sorrent und Paestum. 98
In Hofmanns Atelier lernte George an einem der ersten Tage den Berliner Verleger Georg Bondi kennen. Seit Bondi im März 1897 den Vortrag von Richard M. Meyer gehört hatte, suchte er in Kontakt mit George zu kommen. Für den gleichen Mittag verabredeten sich Verleger und potentieller Autor in einem Café, in dem sie sich an den folgenden Tagen noch ein paar Mal trafen, dann reiste Bondi ab. George überließ die weiteren Verhandlungen Lechter und Klein in Berlin. Anfang Juni erhielt Klein von Bondi ein Angebot, das eine »Teilung des Reingewinns« vorsah; das auflagenabhängige Honorar in Höhe von 20 Prozent vom Ladenpreis sollte zur Hälfte bei Erscheinen, zur Hälfte nach Verkauf der halben Auflage ausgezahlt werden. 99
Begonnen hatte Bondi seinen Verlag zwei Jahre zuvor mit der Übernahme von Restauflagen der Werke seines Freundes Max Halbe aus dem S. Fischer Verlag. Seit seinem naturalistischen Erfolgsstück Jugend , das es bis zum Krieg auf stolze 25 000 Exemplare brachte, zählte Halbe zu den meistgespielten Dramatikern der neunziger Jahre. Außer Halbe hatte Bondi zu diesem Zeitpunkt noch nicht viel vorzuweisen (einen Band von Otto Erich Hartleben, einen Band von Alfred Kerr, eine kurz gefasste deutsche Literaturgeschichte von Gotthold Klee, die sich mit 22 Auflagen allerdings zu einem Longseller entwickelte). Er war dringend auf neue Autoren angewiesen. Von der Jahrhundertwende an konzentrierte sich sein Verlag zunehmend auf den Sachbuchbereich, veröffentlichte die Schriften von Wilhelm Bölsche und Kurt Breysig und startete eine zehnbändige Reihe »Das Neunzehnte Jahrhundert in Deutschlands Entwicklung«, in der angesehene
Wissenschaftler für ein großes Publikum schrieben (Theobald Ziegler über die geistigen und sozialen Strömungen, Richard M. Meyer über die Literatur, Werner Sombart über die Volkswirtschaft). Spätestens in den zwanziger Jahren wurde der Bondi Verlag in der Öffentlichkeit dann ausschließlich als George-Verlag wahrgenommen.
George hätte es nicht besser treffen können. Obwohl die Alleinstellung, die ihm bei Bondi im Laufe der Zeit zufiel, nicht absehbar war, dürfte er gespürt haben, dass der ihm auch persönlich sympathische Verleger keinerlei Ambitionen hegte, die mit den seinen irgendwann zu kollidieren drohten. Das sah bei den Mitbewerbern ganz anders aus. Als George Anfang Oktober 1897 nach Berlin gekommen war, hatte er Richard M. Meyer gebeten, Erkundigungen über den Verlag »Kreisende Ringe« einzuholen. Unter der Leitung von Franz Evers wurden hier seit einigen Jahren Bücher mit homosexueller Thematik veröffentlicht. Es handelte sich um ein Imprint des in Leipzig ansässigen Verlegers Max Spohr, der im Mai 1897 mit Magnus Hirschfeld und zwei weiteren Aktivisten das »Wissenschaftlich-humanitäre Komitee« gegründet hatte, das sich die Abschaffung des § 175 und die Aufklärung der Öffentlichkeit über Homosexualität zum Ziel setzte. Wie George auf diesen Verlag gestoßen war, der ihn in Kürschners Litteraturkalender für das Jahr 1897 immerhin als künftigen Autor des Hauses vorstellte, ist ungeklärt. Am gleichen Tag, an dem Meyer George das Ergebnis seiner Recherchen mitteilte und ihn vor diesem Verlag warnte, schrieb George an Dienstbach, dass er plane, im Dezember über Leipzig zu fahren – »rein geschäftlich wie der name der stadt ahnen lässt«. 100
Als George am 19. Mai 1898, dem Tag seiner Rückkehr aus Italien, Lechter von Bingen aus bat, mit Bondi weiter zu verhandeln, stand Lechter bereits in Kontakt mit einem anderen Verleger, der eben an den Start gegangen war: Eugen Diederichs. Diesem hatte die Ausstattung des Jahrs der Seele so gut gefallen, dass er Lechter die buchkünstlerische Gestaltung von Maurice Maeterlincks Schatz der Armen übertrug. Der im Herbst 1898 erschienene Band wurde in bibliophilen
Kreisen als ein »Markstein in der Entwicklung unserer neuen Buchkunst« bejubelt. 101 Es war George nicht unlieb, dank Lechter ein zweites Eisen im Feuer zu haben. Als Bondi im Winter 1898/99 ablehnte, die alten Blätter -Jahrgänge nachzudrucken, drängte George Lechter, die Idee beim Konkurrenten zu ventilieren. Eugen Diederichs war nicht nur der engagiertere und deutlich erfolgreichere Verleger als Bondi, er hatte auch klare Vorstellungen, welche Art Bücher er herausbringen wollte. Er veröffentlichte Titel unter dem Slogan »Bücher,
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