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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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auf die Widmungen und Vorreden, dann kümmerte er sich intensiv um den Versand von Freiexemplaren und Prospekten. Abgerundet wurde die publizistische Offensive durch einen Auswahlband, der die besten Stücke aus den Blättern für die Kunst enthielt und dem ein Sonderdruck des Aufsatzes von Richard M. Meyer in den Preußischen Jahrbüchern beigelegt war. Außerdem wurde eine neuerliche Lesung bei Lepsius angesetzt. Zu denen, die einen Ankündigungsprospekt der neuen Ausgaben, ein Freiexemplar der Blätter -Auslese und eine Einladung zum Leseabend erhielten, zählte auch jener junge Mann, der ein Jahr zuvor Lou Andreas-Salomé begleitet hatte: Rainer Maria Rilke. Zwei Wochen nach der ersten Lesung hatte er ein Gedicht »An Stefan George« geschrieben:
    Wenn ich, wie Du, mich nie den Märkten menge
Und leiser Einsamkeiten Segen suche, –
Ich werde nie mich neigen vor der Strenge
Der bleichen Bilder in dem tiefen Buche. 108
    Rilke war »von Georges Ichstärke geradezu überwältigt«, er »beneidete, fürchtete, bewunderte diesen gestrengen Dichter und eiferte ihm zuweilen sogar nach«. 109 Es muss ihn reichlich irritiert haben, dass Lou in ihrem Artikel im Pan George den einzigen Lyriker der Gegenwart nannte, der Beachtung verdiene. Ende 1897 hatte der 22-Jährige immerhin bereits seinen vierten Gedichtband vorgelegt. Das seien Gedichte, meinte George, »wie sie jeder machen könne«, 110 und Lou hätte ihm in diesem Punkt nicht widersprochen; auch Rilke distanzierte sich später von seinem jugendlichen Ausstoß, der mehrere
hundert Gedichte, aber nirgends einen ihm gemäßen Ton hervorbrachte. Umso staunenswerter war für ihn der konzentrierte Auftritt Georges. Am 7. Dezember dankte er für den großen Eindruck, den der Leseabend auf ihn gemacht habe, und äußerte den Wunsch, Georges Kunst »mit getreuem Interesse zu verfolgen«. Was er tun müsse, um in den Kreis der Blätter für die Kunst aufgenommen zu werden? Die Mitgliedschaft bestehe »in Teilnahme, Lesen und Weitergeben der ›Blätter‹«, antwortete George, und insofern sei Rilkes Wunsch, »schon indem er ihn ausgesprochen habe, erfüllt«; beziehen könne er die Zeitschrift im Übrigen direkt beim Herausgeber. 111
    Er habe viel zu früh mit dem Publizieren angefangen, hielt ihm George vor, als sie sich Anfang Mai 1898 zufällig begegneten – in den Boboli-Gärten in Florenz. Rilke, der George zunächst aus dem Weg hatte gehen wollen, behielt ein angenehmes, ja herzliches Gespräch in Erinnerung: Es waren »ein paar Stunden mit Stephan George in Boboli, die meinem Leben wieder spielende Gleichgewichte gaben«. 112 Dennoch schien es ihm ratsam, Abstand zu wahren. »Künstler sollen einander meiden«, notierte er mit unverkennbarem Bezug auf George wenig später im Tagebuch. »Es soll keiner tasten an des anderen Kunst. Denn nimmt er von einem Größeren, so verliert er sich.« 113 Es war für Rilke nicht leicht, sich in ein produktives Verhältnis zu George zu setzen und bei aller Bewunderung für ihn sich gleichzeitg den eigenen Freiraum zu sichern. Die Lösung war ein für Rilke typisches Paradox: »Ich werde vor ihm so maßlos stolz, grade weil ich eine gewisse Ehrfurcht vor ihm habe.« 114
    Weder die Blätter -Auswahl noch die Einladung zur zweiten Lesung bei Lepsius erreichten den Adressaten, der inzwischen von Wilmersdorf nach Schmargendorf verzogen war. Als Rilke Anfang April 1899 davon erfuhr, beeilte er sich, George sein Bedauern auszudrücken. Der eigentliche Grund seines Schreibens vom 7. April war jedoch ein anderer: Für seinen neuen Band Mir zur Feier suchte er dringend einen Verleger und erhoffte sich von George eine Empfehlung an Bondi. George bat um Manuskripteinsicht. Rilke hat dies nicht akzeptieren wollen. Es war ihr letzter direkter Kontakt.

    Rilke musste sich noch einige Jahre gedulden, bis ihm mit dem 1905 im Insel-Verlag erschienenen Stunden-Buch der Durchbruch gelang. Da war er dreißig, im gleichen Alter wie der sieben Jahre ältere George bei seinem Durchbruch 1898. Zwei Jahre später veröffentlichten beide ihr folgenreichstes Buch: George den Siebenten Ring , Rilke die Neuen Gedichte . Von da an schien die deutsche Lyrik für viele auf die Frage zuzulaufen: George oder Rilke. 1909 erschien in der Leipziger Illustrierten ein erster Artikel, 1914 die erste Monographie, in der die beiden Dichter nebeneinandergestellt und verglichen wurden. 115 Gemessen in Auflagen, ließ Rilke, auch dank seines geschäftstüchtigen Verlegers

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