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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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der Freundschaft und der andern Welt waren groß genug für die große Minute.« 42 »Das schöne leben sendet mich an dich / Als boten«: Wo anders als bei Jean Paul hätte die für George entscheidende Metapher ihren Ursprung? Wo in der deutschen Literatur wären die »Gefühle der Freundschaft « so eindeutig »den Gedanken der Liebe « gleichgestellt worden? 43
    Um zu solchen Stellen zu gelangen (die Jean Paul »Begeisterungsstellen« nannte), musste sich der Leser allerdings seitenlang durch »undurchdringliches gestrüpp« schlagen. 44 Die Mängel der Komposition, die Skurrilitäten und »maasslosen abschweifungen« führte George darauf zurück, dass Jean Paul »zur zeit des zopfstiles« und in besonders engen Verhältnissen gelebt habe. Umso öfter bleibe der Leser »erstaunt und beschämt stehen vor einem so zarten empfinden einer so frauenhaften aufmerksamkeit einem solchen reichtum der gefühle«. Schon der Entdecker und Förderer Jean Pauls, Karl Philipp Moritz, hatte nach Lektüre des Manuskripts der Unsichtbaren Loge im Sommer 1792 gesagt, hier handele es sich um etwas gänzlich Neues, das noch über Goethe hinausgehe. Am Ende seiner »Lobrede« in den Blättern forderte auch George, Jean Paul direkt neben Goethe zu stellen, denn er habe der deutschen Literatur »die glühendsten farben gegeben und die tiefsten klänge«. Gegen alle Einwände verteidigte er ihn ein Leben lang als »das Urmaterial der Dichtung«. 45

    Gustav, Emanuel, Albano, Roquairol und all die anderen, die, »ohne grosse täter zu sein unendlich sinnen und unendlich leiden«, zogen George mächtig in ihren Bann. In den zwanziger Jahren ging die Identifikation mit manchen dieser Figuren so weit, dass George ihnen bisweilen auf der Straße zu begegnen meinte. »Die Traumgestalten Jean Pauls scheinen nur solange blutlos bis ihre irdischen Brüder über unsern Boden gehen.« 46 Hinzu kam die Begeisterung für die Kulisse. Die mainfränkische Hügellandschaft, in der sich die Jean Paulschen Figuren entgegeneilen, um sich ihrer Freundschaft zu versichern, war für George die deutsche Landschaft schlechthin.
    Als George und Wolfskehl ein halbes Jahr nach Veröffentlichung der Jean-Paul-Lobrede Pläne für eine mehrbändige Anthologie deutscher Dichtung auszuarbeiten begannen, hatte eine Auswahl aus den Schriften dieses Dichters Priorität. Plan und Anlage der Reihe wurden zwar mehrfach neu durchdacht, die Grundidee aber, »den paar Einsamen Dichtern der deutschen Vergangenheit zum Erstehen zu verhelfen«, 47 blieb über die Jahre erhalten, und stets wurde Jean Paul an erster Stelle genannt. Während sich Wolfskehl im Frühjahr 1899 darauf konzentrierte, die Dichtung von der Goethezeit bis an die Schwelle der Gegenwart zu sichten und eine Auswahl aus Goethe selbst zusammenzustellen, trieb George die Arbeit am Jean-Paul-Buch voran. Lechter sollte sich schon einmal Gedanken über die Ausstattung machen. Als Bondi sich im Herbst weigerte, das finanzielle Risiko zu übernehmen – was beinahe zum Bruch zwischen Verleger und Herausgeber geführt hätte -, beschloss George, den Band in eigener Regie unter dem Signet der Blätter für die Kunst zu veröffentlichen.
    Nachdem George die Sache gut drei Jahre hatte schleifen lassen, weil andere Arbeiten Vorrang hatten, konnte es ihm jetzt nicht schnell genug gehen. Alle Beteiligten stöhnten. Erst gab es Ärger mit Wolfskehl und Gundolf wegen der Korrekturen, dann mit Lechter wegen der Ausstattung. Er wolle ihm ja nicht reinreden, schrieb ihm George Mitte Mai 1900, aber wenn Lechter sich mit jedem Buch so viel Zeit lasse, müsse er, George, sich darauf »gefasst machen etwa das fünfte oder sechste dieser bücher auf dem todesbette überreicht zu
bekommen«. 48 Einen Tag später fand Lechter den Preis zu niedrig. Der Subskriptionspreis war seit langem auf 4.50 Mark festgelegt, der Abgabepreis an den Buchhandel sollte 3 Mark betragen, Lechter wollte ihn auf mindestens 6 Mark erhöhen. Daraufhin schlug George vor, die Druckauflage von 300 auf 400 Exemplare zu erhöhen, was bei einer Vorbestellung von 100 Exemplaren ziemlich riskant war. Zuletzt kam es zu Diskussionen darüber, wer das Imprimatur erteilt. »Ich erkenne zwar Ihre gründe an dass es schöner und süsser ist mich mit dem fertigen buch zu überraschen«, schrieb George am 30. Mai an Lechter, aber verantwortlich für den Inhalt sei nun einmal der Herausgeber und nicht der Buchgestalter. Lechter sah das anders. Weil eine von ihm entworfene

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