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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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Aufhebung des Ordens führte. 80 George, der sich sehr für diesen Prozess interessierte, drehte die Beweislast um und rief die Templer als Vertreter eines höheren Naturgesetzes in der Schlusstrophe zu Rettern der natürlichen Lebensgrundlagen aus. In der Stunde der »weltnacht«, wenn die Natur sich dem Menschen verweigert, werden die Templer sie zwingen: »Dass sie ihr werk willfährig wieder treibt: / Den leib vergottet und den gott verleibt.« 81
    »Der Widerchrist« schildert das Chaos, das entsteht, wenn die Falschen an die Macht gelangen, Verführer, die das Volk mit Versprechungen blenden: »Ich schaff euch für alles was selten und schwer / Das Leichte, ein ding das wie gold ist aus lehm, / Wie duft ist und saft ist und würze -« Weil den Menschen der Sinn für das Echte abhanden gekommen ist, werden sie auf solche Verführer immer wieder hereinfallen – »Und fühlt erst die not vor dem ende // Dann hängt ihr die zunge am trocknenden trog, / Irrt ratlos wie vieh durch den brennenden hof.. / Und schrecklich erschallt die posaune.« 82 Unaufhörlich wird George im Stern des Bundes gegen die falschen Propheten zu
Felde ziehen und seine eigenen Leute ermahnen: »denn ich gab / Euch für das hirn das trügt das wahre auge!« 83
    Die großartigste Vision seines künftigen Staates entfaltete George im mittleren der drei Gedichte, den »Hütern des Vorhofs«. In sieben Strophen entwickelte er Stufe für Stufe den Aufbau seiner Welt in direkter Ansprache an die Auserwählten:
    Ich liess euch erst erziehn auf magrer scholle,
In suchen Fiebernde, in leid Vergrabne,
Dass sehnsucht euch durch alle adern rolle:
Die kinder reift in Fromme und Erhabne.
     
    Dann gab ich euch voll rosen und voll reben
Ein üppig sonnenland zu kurzer leihe
Damit ihr himmel säht und höchstes weben
In hiesiger tage glanzumwobner reihe.
     
    So wuchs in euch die würde und die ferne
Die, wartend, nie nach niedrer gabe tastet..
So mehrt ich eure glut im innren kerne,
Dass ihr das wahre bild am reinsten fasstet.
     
    So nahmt ihr volle helle zum verklären:
Die stirn die ihr mit wein und lorbeer höhtet,
Den wegrand blitzend von demantnen ähren,
Das alte tal vom zauber angerötet.
     
    Ihr bringt der aufgeklafften erde sühne
Der gier und wahn zerwühlten die geweide.
Ihr macht dass sie sich schliesse, wieder grüne..
Und nackter tanz beginnt auf junger heide.
     
    Durch jede muschel späht ihr kühnen schwimmer
Und aller felder seltne saat gewahret
Ihr Wachen die ihr jeden holden schimmer
Auffanget und für ewige zeiten sparet.
     
    Ihr seid des zeichens dass von haft behindert
In rauhen mauern, dass in gleiss und sammet –
Wenn auch bei allen – nie bei euch vermindert
Erinnerung wie ihr von göttern stammet. 84

5 Knabenerziehung
    Am 8. Mai 1908, ein halbes Jahr nach Erscheinen des Siebenten Rings , wurde auf dem Rittergut Liebenberg in der Mark Philipp Fürst zu Eulenburg wegen des Vorwurfs der Homosexualität verhaftet. Eulenburg hatte zwanzig Jahre zu den engsten Vertrauten Wilhelms II. gehört und galt als »der geistige Urheber des 1897 etablierten ›Persönlichen Regiments‹« seiner Majestät. 1 Die Verhaftung eines der einflussreichsten Ratgeber der kaiserlichen Politik war der vorläufige Höhepunkt einer Pressekampagne, die der Publizist Maximilian Harden seit Herbst 1906 in der Zukunft gegen die Kamarilla des Kaisers führte. Dabei verknüpfte er zweideutige Hinweise auf homosexuelle Beziehungen innerhalb der »Liebenberger Tafelrunde« geschickt mit der Frage nach der Staatsräson. Da Homosexualität nach allgemeiner Auffassung als charakterlicher Defekt galt und viele dazu neigten, sie ähnlich wie die Prostitution »als Verfallserscheinung der Oberschicht zu deuten«, 2 musste dort, wo ein Monarch sich mit »weibischen« Männern umgab, der Staat auf Dauer selber Schaden nehmen. »Hardens Enthüllungen zogen eine Serie von Prozessen nach sich, die sich zu regelrechten Schlammschlachten entwickelten und selbst intimste Details aus dem Innenleben der aristokratischen Oberschicht an die Öffentlichkeit zerrten.« 3
    Die Angst, wegen der Homosexualität ins Gerede zu kommen, war unter den Freunden Georges früh verbreitet, auch und gerade unter denen, die für gleichgeschlechtliche Beziehungen nicht viel übrig hatten. Als sich Gundolf im Sommer 1901 bei Wolfskehl über neue Elaborate »in schwuler Poesie« mokierte – »Gott schütze alle Laster vor solchen Herolden!« -, antwortete ihm dieser: »Von den Schwulitäten

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