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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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gründen, die sie Rosen und Disteln nannten. Rosen standen für den ästhetischen Ernst, Disteln für den gesellschaftskritisch satirischen Anspruch des Unternehmens, das »jeden zweiten Montag« erscheinen sollte – »Extrablätter nicht ausgeschlossen«. Zu mehr als vier in Sütterlin eng beschriebenen Seiten, die unter dem Datum des 20. Juni 1887 für interessierte Kameraden hektografiert wurden, reichte es jedoch nicht. Nach der ersten Nummer wurde das Erscheinen eingestellt. 16
    Obwohl George bei der Wiederverwertung von Jugendwerken später ziemlich großzügig verfuhr und in die 1901 veröffentlichte Fibel zahlreiche recht konventionelle Stücke aufnahm, hat er die zwei in Rosen und Disteln erschienenen Gedichte nicht wieder drucken lassen. Dabei hätte er sich etwa für die Schlusszeilen seiner Fürstenschelte auf einen verfressenen Souverän namens Commedotutti, der dem lieben Gott sein Leid klagt, »dass ich wohl hundert hungern lassen, / doch nicht für hundert essen kann«, nicht zu schämen brauchen. Noch bevor er die Schule verließ, distanzierte sich George jedoch von den »Zynismen« seiner Knabenzeit. »Der Jugend sei dies nicht zu verübeln, diese göttliche Frechheit nach ihren ersten Enttäuschungen«, äußerte er rückblickend. Mit 17 Jahren sitze einem aber »der Dämon schon im Nacken«, da dürfe man mit solchen Spielereien nicht mehr seine Zeit vergeuden. Ins Gedicht gehöre nun einmal »nur Aufbauendes«. 17
    Gleichwohl diente die Satire, die er als Äußerungsform der Pubertät abtun wollte, George bis zum Abitur als wirkungsvolles Mittel, sich der Angriffe von Altersgenossen zu erwehren. Alle, die er aufs
Korn genommen habe, hätten sich in seinen karikierenden Porträts wiedererkannt. Wegen seiner etwas längeren Haare war George schon in Bingen manchem Spott ausgesetzt gewesen. Auch in Darmstadt machten sich Schulkameraden darüber lustig, dass lange Haare wohl zum Dichten inspirierten. Als einer von ihnen, der das Haar ebenfalls länger trug, George in Gedichtform zu provozieren suchte, bedachte ihn dieser mit den hübschen Versen:
    Da wurde mir mit einmal klar
Dass hinter langem Dichter-Haar
Und hinter hoher Dichter-Stirn
Nicht immer wohnt ein Dichter-Hirn. 18
    Die Gattung, die George und seine Mitstreiter stärker herausforderte als alle anderen, war das Drama. Die Frage, wie sich historische Stoffe einigermaßen bühnenwirksam umsetzen ließen, beschäftigte sie dabei allerdings nur am Rande. Hauptsache, der Held strahlte sittliche Größe aus und endete tragisch. Der Handlungsrahmen musste möglichst weitgespannt sein. Rouge mühte sich erst mit einem Römerdrama nach Plutarch, dann plante er eine in Stabreimen zu verfassende Tragödie aus dem altnordischen Sagenkreis, »die den Titel ›Loki, das Schicksal eines Gottes‹ führen sollte und in der Art des Wagnerschen ›Nibelungenrings‹ gedacht war«. 19 Auch George nahm sich zwei historische Stoffe vor. Am 13. Juni 1886 hatte er eine Aufführung der Maria Stuart in Mannheim besucht. 20 Er begann sich eingehender mit dem Leben der schottischen Königin zu beschäftigen, las zwei gerade erschienene Biographien und beschloss, den Grafen Bothwell, den Liebhaber und späteren Ehemann der Königin, der im Verdacht stand, ihren ersten Mann ermordet zu haben, in den Mittelpunkt seines Dramas zu stellen. Den Stoff zu einem zweiten Stück, Phraortes , lieferte ihm Herodots Erzählung von Tomyris, der Königin der Massageten, die von Kyros zum Schein umworben wurde, seinem Werben widerstand und ihn am Ende in einer großen Schlacht besiegte, in der Kyros den Tod fand (Herodot I. 201-215). Das Stück sollte »nach griechischem schema im grossen amphitheater« aufgeführt werden, »die bühne in weiter verhüllender entfernung«. 21

    Die aus dem Nachlass bekannt gewordenen Fragmente lassen recht klar erkennen, auf welche Motive es George bei der Bearbeitung der Stoffe ankam und wie er die Akzente setzen wollte. Welches der beiden Stücke er zuerst in Angriff nahm, ist nicht mehr zu rekonstruieren, die Anfänge dürften in beiden Fällen auf das Jahr 1886 zu datieren sein. Vollständig überliefert ist der erste von fünf geplanten Akten des Stuart-Dramas Graf Bothwell . Das Stück spielt sechs Tage nach dem heimtückischen Mord an Darnley, Marias Ehemann. Es wird eröffnet mit einem Dialog zweier Edelleute, die in der Frage, ob Bothwell der Mörder sei, gegenteiliger Meinung sind. Maria muss sich von allen Seiten Vorwürfe gefallen

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