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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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aufgrund einer Namensverwechslung mit dem Juristen Hermann Kantorowicz) eine Einladung des New College Oxford vorlag, wollte er das Feld nicht kampflos räumen. Am 14. November 1933 nahm er seine Lehrtätigkeit wieder auf. »Warum führte man den Titel eines ›Professor‹, wollte man nicht in entscheidenden Stunden auch Bekenner zu sein den Mut haben!« 52
    Kantorowicz sprach über »Das Geheime Deutschland«. Das Schiller-Zitat, das er am Ende seines Vortrags auf dem Historikertag in Halle verwendet hatte, um zu illustrieren, dass für das geistige Deutschland eine andere Zeitrechnung gelte als für das politische, wurde jetzt, dreieinhalb Jahre später, zum Ausgangspunkt neuer Überlegungen. »Jedes Volk hat seinen Tag in der Geschichte, doch der Tag des Deutschen ist die Ernte der ganzen Zeit«, hatte Schiller 1801 geschrieben. Die überwältigende Mehrheit der Deutschen war davon überzeugt, dass dieser Tag für sie nun gekommen sei, und Kantorowicz trat an, den Gegenbeweis zu führen. »Wer Augen hat zu sehen und Ohren zu hören, der weiss, dass fast zu allen Zeiten, seit es ein ›Deutsches‹ im emphatischen Sinne des Worts gab, bis zum heutigen Tag unabhängig von dem jeweiligen Zustand, der jeweiligen Verfassung des Reichs immer noch ein andres Deutschland gewesen ist, welchem jenseits des öffentlich sichtbaren Reiches Wesen und Leben beschieden war … Es ist ein Reich zugleich von dieser und nicht von dieser Welt.. ein Reich zugleich da und nicht da.. ein Reich zugleich der Toten und der Lebenden, das sich wandelt und dennoch ewig ist und unsterblich.« Nachdem er mehrfach auf George verwiesen und diesen zitiert hatte, endete Kantorowicz mit einem Zitat aus dem Stern des Bundes :
    Hemmt uns! untilgbar ist das wort das blüht.
Hört uns! nehmt an! trotz eurer gunst: es blüht –
Übt an uns mord und reicher blüht was blüht! 53
    Wenn man seinen ersten Ekel überwunden habe, fange »auch der Hass an, produktiv zu machen«, schrieb Kantorowicz am 26. November an George und berichtete von dem in seinen Augen phänomenalen Erfolg seiner Vorlesung. Er habe nur so vom Leder gezogen und sich alles vom Herzen heruntergebrüllt – »hinein in das große toten- und mäuschenstille Auditorium, das erst braun war und dann rot anlief, um beim Schlusswort (›trotz eurer gunst: es blüht‹) selig zu trampeln«. 54 Es war Kantorowiczs letzter Brief an George. Er hat den Adressaten nicht mehr erreicht.

4
    Unter den Artikeln zu Georges 65. Geburtstag ragt eine Rezension heraus, die ursprünglich gar nicht als Geburtstagsartikel gedacht war. Sie erschien am 12. Juli 1933 in der Frankfurter Zeitung unter dem Namen K. A. Stempflinger und kam aus der Feder von Walter Benjamin:
    Stefan George schweigt seit Jahren. Indessen haben wir ein neues Ohr für seine Stimme gewonnen. Wir erkennen sie als eine prophetische. Das heißt nicht, dass George das historische Geschehen, noch weniger, dass er dessen Zusammenhänge vorausgesehen hätte. Das macht den Politiker, nicht den Propheten. Prophetie ist ein Vorgang in der moralischen Welt. Was der Prophet voraussieht, sind die Strafgerichte. Sie hat George … vorausgesagt. Die Weltnacht, deren Nahen ihm die Tage verdüsterte, ist neunzehnhundertvierzehn angebrochen. Und dass er ihr Ende noch nicht ermisst, hat er in einem vielsagenden Titel seines letzten Gedichtbuchs ausgesprochen: ›Einem jungen Führer im ersten Weltkieg‹. 55
    Der Prophet und sein Schweigen – im Schillern zwischen diesen beiden Polen gefiel sich der Essay, der im zweiten Teil ein wenig lustlos der Pflicht nachkam, zwei George-Neuerscheinungen zu rezensieren. Als er in der ersten Juni-Hälfte den Auftrag der Redaktion erhielt,
habe er sich, so Benjamin an Scholem, ziemlich unbehaglich gefühlt: »Wenn jemals Gott einen Propheten durch Erfüllung seiner Prophetie geschlagen hat, so ist es bei George der Fall gewesen.« 56 Der Satz gehört zu den am häufigsten verwendeten Zitaten der George-Literatur und meint doch das Gegenteil von dem, was er nach Wunsch derer, die ihn zitieren, beweisen soll. Dass ein Denker wie Walter Benjamin einen Dichter vom Rang Stefan Georges als Propheten des Dritten Reichs apostrophierte, konnte nur »Simplifikateuren« einfallen. 57 Im Kontext der Rezension wird klar, was Benjamin meinte: Von dunklen Ahnungen eines bevorstehenden Krieges erfüllt, erkannte er in George den Propheten des drohenden Strafgerichts. Als Benjamin drei Jahre später in der Schweiz eine Briefauswahl

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