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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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zu günstigen ergebnissen führen – ich habe seit fast einem halben jahrhundert deutsche dichtung und deutschen geist verwaltet ohne akademie, ja hätte es eine gegeben wahrscheinlich gegen sie.
    Anders verhält es sich mit dem positiven, (da bist Du der natur der sache nach [geändert in: unter den gegeben umständen] nicht geeignet das rechte wort zu finden): die ahnherrschaft der neuen nationalen bewegung leugne ich durchaus nicht [eingefügt: ab] und schiebe auch meine geistige mithilfe [geändert in: mitwirkung] nicht beiseite. Was ich dafür tun konnte habe ich getan, die jugend die sich heut um mich schart ist mit mir gleicher meinung … das märchen vom abseitsstehn hat mich das ganze leben begleitet – es gilt nur fürs unbewaffnete auge. Die gesetze des geistigen und des politischen sind gewiss sehr verschieden – wo sie sich treffen und wo geist herabsteigt zum allgemeingut das ist ein äusserst verwickelter vorgang. Ich kann den herrn der regierung nicht in den mund legen was sie über mein werk denken und wie sie seine bedeutung für sie einschätzen.
    Es läge mir daran, lieber Ernst, dass dies wortgetreu der betreffenden stelle mitgeteilt werde, es ist durchaus überlegt. wenn es Dir wider den strich geht dies genau so weiterzugeben, so muss ich jemand anderes beauftragen. Ich gebe anschrift in München hier an, obwohl alle post über Ludw[ig] trotz seiner abwesenheit nach eintägigem umweg an mich gelangte. Schreibe weiter über das notwendige was vorgeht, auch ich muss mir näheres für eine mündliche unterredung vorbehalten. Die für Dich bestimmten persönlichen bemerkungen in bleistiftklammern sind natürlich nicht weiterzugeben. In herzlichem gedenken G. (im auftr.) 39
    Die Dramatik der Situation wird beim Blick auf das Datum klar. Am Abend des 10. Mai fanden in fast allen Universitätsstädten des Landes die von der Deutschen Studentenschaft initiierten Bücherverbrennungen statt. In Köln kam es zu Widerständen innerhalb der Professorenschaft, so dass die Aktion »aus technischen Gründen« um eine Woche verschoben werden musste. Auch Ernst Bertram, Professor für deutsche Literatur in Köln, hatte sich gewehrt – gegen die Diffamierung der mit ihm befreundeten Autoren; es habe ihn unendliche Mühe gekostet, schrieb er an Glöckner, »die beabsichtigte unsinnige Verbrennung von Gundolf und Thomas Mann hier zu verhindern«. Er hoffe, dass »die unvermeidliche Kundgebung jetzt würdig« verlaufe. 40 Über George hatte Bertram bereits ein paar Tage vorher gesprochen; in einer Rede vor Studenten zählte er den Dichter, der das Hakenkreuz »zum Sinnbild seiner Hoffnungen wählte … zu den Ahnen des Heute und Morgen«. 41
    Ahnherrschaft – das war in diesen Tagen das Stichwort. Folgt man den Erinnerungen Kurt Zierolds, der als Leiter der Referate Literatur und Film vom Kultusminister beauftragt worden war, den großen Dichter zum Eintritt in die Akademie zu bewegen, war er über Georges Brief genauso entsetzt wie Morwitz. Dieser scheint den Oberregierungsrat über die Antwort aus Minusio jedoch gar nicht unterrichtet zu haben. Am 12. Mai teilte er George mit, dass ihm Zierold vor zwei Tagen einen Artikel aus der Deutschen Allgemeinen Zeitung geschickt habe, den er weiterleite »für den Fall, dass aus diesem Grunde Deinem offiziellen Bescheid noch etwas hinzuzufügen wäre. Ferner bitte ich um Bescheid, ob Du wünscht [sic], dass Deine Antwort von der Regierung, falls die Regierung die Veröffentlichung wünscht und vornimmt, nur als Ganzes veröffentlicht wird. Oder ist es Dir gleichgültig, wenn die Regierung einzelne Sätze herausgreift und andere fortlässt?« 42
    Die Rhetorik war verräterisch. Natürlich konnte George nicht wollen, dass einzelne Sätze herausgegriffen würden, und so reagierte er entsprechend ungehalten. Er habe »nichts hinzuzufügen«, antwortete er drei Tage später und betonte, »dass ein herausreissen von sätzen
zur veröffentlichung mir nicht angenehm sein kann«. 43 Erst jetzt übergab Morwitz dem Oberregierungsrat eine wortgetreue Abschrift. Zierold konnte seinen Minister offenbar davon überzeugen, dass »eine Veröffentlichung für alle Beteiligten nicht ratsam sei«; jedenfalls bitte man höheren Orts »um tiefste Verschwiegenheit«, so Morwitz in einem weiteren Brief an George vom 25. Mai. »Ich habe meinerseits alle Möglichkeiten zum Positiven für Dich offen gehalten. Wenn Du selbst nach Berlin kommst, wird man vielleicht mit neuen Plänen an Dich

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