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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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erinnernden »Hochsommer« wird die gesuchte Beiläufigkeit zum eigentlichen Inhalt: »Unter prangenden platanen / Wiegen sich die stolzen Schönen /… / Auf den lippen eitle fragen, / Von verlockenden parfümen / Hingetragen /… / Auf dem wasser ruderklirren, / Gondel die vorüberfuhr.«
    Die Hymnen vermitteln noch heute in jeder Zeile, dass ihr Dichter sich des unerhört Neuen, das er da schuf, bewusst war. Dennoch trumpfen die 18 Gedichte nirgendwo auf, Verhaltenheit ist das eigentliche Charakteristikum dieses Debüts. Die einzige Realität, die zählt, ist die der Poesie. Der Sprödigkeit der Form entspricht die Zurückhaltung des Autors, der immer wieder zweifelt, ob er dem Bild des Dichters, das ihm vorschwebt, jemals wird gerecht werden können. In den Schlusszeilen erinnert er sich seiner Initiation durch die Herrin im Eingangsgedicht. Zwar lässt sich in den frühen Bänden Georges das lyrische Ich und das Ich des Dichters noch deutlich trennen, deutlicher jedenfalls als in den späten Bänden, in denen eine solche Unterscheidung schwer fällt, ja unmöglich wird. Aber die bange Frage am Schluss des letzten Gedichts, das den Besuch eines herbstlichen Parks kurz vor der Schließung schildert, richtet der Dichter an niemand anderen als an sich selbst: »Baust du immer noch auf ihre worte / Pilger mit der hand am stabe?«
    Pilgerfahrten lautete folgerichtig der Titel des anschließenden Bandes. 66 Die Vermeidung des Konventionellen um jeden Preis, der Drang zur Kürze waren auch jetzt wieder die entscheidenden Kriterien Georges. Das brachte zwar noch einmal eine Reihe unschöner
Neologismen und Archaisierungen, insgesamt aber wurden die Gedichte plastischer, welthaltiger, anschaulicher. Während in den Hymnen eine künstliche, von Menschen angelegte Natur dekorativ sich selbst zu genügen schien, bevölkerten jetzt wieder Menschen die Bühne. Zeichneten sich die Hymnen aus durch Askese und Verzicht, forderten in den Pilgerfahrten erneut die Leidenschaften ihr Recht: »Lass deine tränen / Um ein weib, / Falsch ist dein wähnen, / Ruh und bleib!« Überraschend ist vor allem die Vielfalt der Formen, mit denen George experimentiert. Ein dreistrophiges balladenhaftes Gedicht erzählt im Märchenton vom Tod einer Gruppe von Erstkommunionkindern: »Mühle lass die arme still / Da die heide ruhen will.« Auf dem Heimweg von der Kirche tippeln die Mädchen über den zugefrorenen See: »Kam ein pfiff am grund entlang? /… / Es empfingen ihre bräute / Schwarze knaben aus der tiefe.. / Glocke läute glocke läute!«
    So wie der Pilger am Schluss der Hymnen vorausdeutete auf den anschließenden Band, ohne dass dessen Titel bei Drucklegung bereits feststand, so bildete »Die Spange«, das Schlussgedicht der Pilgerfahrten, das ideale Verbindungsstück zu dem in Vorbereitung befindlichen Algabal :
    Ich wollte sie aus kühlem eisen
Und wie ein glatter fester streif,
Doch war im schacht auf allen gleisen
So kein metall zum gusse reif.
     
    Nun aber soll sie also sein:
Wie eine grosse fremde dolde
Geformt aus feuerrotem golde
Und reichem blitzendem gestein.
    Während die Anordnung der Gedichte in den beiden ersten Bänden wohl im Wesentlichen der Chronologie ihrer Entstehung folgte, legte George mit dem Algabal erstmals einen streng in drei Teile gegliederten Zyklus vor. Bei diesen zwanzig (später 22) Gedichten aus dem Leben des römischen Kaisers Heliogabalus (Elagabal), der 218 im Alter von 14 Jahren von den Truppen zum Kaiser ausgerufen und
vier Jahre später von seiner Garde ermordet wurde, handelt es sich um die konsequenteste Adaption des französischen Ästhetizismus in deutscher Sprache. Nicht zufällig wurde George mit diesem Werk am häufigsten identifiziert und ein décadent genannt. Aber gerade weil es eine schier endlose Fülle an historischen und literarischen Reminiszenzen gibt, sollte man mit der Rekonstruktion direkter Einflüsse vorsichtig sein. 67 Der Algabal ist eine vollkommene Neuschöpfung.
    Algabal entwirft das Bild der unumschränkten Herrschaft im Reich des Absoluten. Nichts in dieser Welt ist denkbar ohne den Herrscher, alles untersteht seinem Willen und existiert nur, weil ihm es gefällt. Um äußere Einflüsse auszuschalten, hat Algabal seine Herrschaft in ein surreales Unterreich verlegt, wo das Leben weder klimatischen Schwankungen noch wechselndem Tageslicht, noch den Launen der Jahreszeiten unterworfen ist:
    Mein garten bedarf nicht luft und nicht wärme,
Der garten den ich mir selber

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