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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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einbinden zu können, dieser wehrte sich gegen jede Form der Vereinnahmung. Nachdem im März ein heikler Disput über einen Grafen Schönborn noch einigermaßen glimpflich ausgegangen war, drohte neues Ungemach in Gestalt des Freiherrn Clemens von Franckenstein. Der junge Komponist, ein Freund Hofmannsthals, schickte George Ende April eine Vertonung des Gedichts »Ganz kleine vögel singen«. 41 George war entsetzt. Nicht so sehr über die Musik, die zu beurteilen er anderen überließ, als vielmehr über den schludrigen Umgang mit seinem Text, der von Druckfehlern und sonstigen »Entstellungen« wimmelte; Franckenstein habe aus seinen Versen »irgend welche thörichten reimspiele« gemacht. 42 Ob Franckenstein nicht auch einmal ein Gedicht von Hofmannsthal vertonen wolle?
    Fast in jedem Brief, mal höflicher, mal drängender, erinnerte George daran, dass ihm Hofmannsthal noch einige Seiten Prosa schulde. Dieses Thema wurde für beide Seiten immer unerquicklicher. Ende Mai teilte George mit, er habe soeben das neue Heft in Druck gegeben – mit Ausnahme der versprochenen Prosaseiten, auf denen er aus redaktionellen Gründen bestehen müsse. Jetzt wurde Hofmannsthal
ungehalten. George dürfe »fürs nächste keine Prosa« von ihm erwarten. Er sei »leider recht zerstreut«, und die Vorstellung, dass George warte, verwirre ihn nur noch mehr. George machte einen Rückzieher: »wir eilen gar nicht und können so schön wie heute noch in zwei drei monaten drucken.« 43 Mit Blick auf die Nervosität und Anspannung beider Briefpartner erscheint es fast wie ein Wunder, dass ein erneuter Eklat vorläufig ausblieb. Sie schaukelten sich gegenseitig hoch, ein Wort gab das andere, aber kurz bevor die Situation unumkehrbar wurde, lenkte einer von beiden ein. Ihren Höhepunkt erreichte die Skurrilität in der Diskussion über ein von Hofmannsthal grammatikalisch unsauber verwendetes Fürwort. 44
    Am 11. September 1896 ließ George eine neue Bombe platzen. In einem Brief aus Den Haag unterrichtete er Hofmannsthal über seine Zeitschriftenpläne:
    Ich machte Ihnen bereits andeutungen über eine erweiterung unsrer »Blätter für die Kunst« und durch viele aufmunterungen gestärkt glaube ich dass der augenblick bald genaht ist um eine monatliche deutsche Rundschau zu veröffentlichen welche wie Sie begreifen noch nicht besteht. Allerdings treten wir dann an die masse heran. Die künstlerische leitung bliebe wol dieselbe doch würde durch das hinzuziehen einiger wirklich bedeutender junger gelehrten der kunstwissenschaftliche teil sich um ein beträchtliches vermehren. So würde sich auch die schriftleitung aus zwei dichtern und einem gelehrten zusammensetzen. für unerlässlich erachte ich es nun Ihnen vorzuschlagen sich als den einen dieser dichter zu stellen. 45
    Da die Zeitschrift für ihn »eine lebensbedeutung bekommen« könne, solle Hofmannsthal gründlich abwägen und seine Antwort nicht überstürzen. Zuletzt bat George, das Projekt vertraulich zu behandeln und »keinen von den berufs-schreibern in Ihre beratung zu ziehen besonders keinen von den schwachsinnigen Berliner halb-dichtern«. Hofmannsthal antwortete Anfang Oktober ausweichend. Er fühle sich viel zu unreif, mit Überzeugung für bestimmte Anschauungen einzutreten. Im Übrigen seien ihm Plan und Anlage des Unternehmens genauso unklar wie die materiellen Bedingungen. Damit legte Hofmannstahl den Finger in die Wunde. Gerade die Kommerzialisierung, die aus den Blättern ein marktgängiges Produkt in direkter
Konkurrenz etwa zum Pan oder zur Neuen Deutschen Rundschau gemacht und womöglich den »berufs-schreibern« Tür und Tor geöffnet hätte, wollte George unter allen Umständen vermeiden.
    Von Franckenstein im November auf die Blätter angespochen, schimpfte Hofmannsthal, er solle ihn wegen der »blöden ›Blätter‹« in Ruhe lassen, »mit denen ich übrigens (glaub’ ich) schon wieder brouilliert bin«. Die Zeitschrift werde wohl »in der nächsten Zeit verschwinden und sich in eine Wochenschrift oder sonst etwas geheimnisvolles verwandeln«. 46 23 Jahre später hat er sich zu Georges Zeitschriftenplänen noch einmal geäußert: »Mit der Stellung eines coadjutor sine jure succedendi die er mir pantomimisch anbot, wußte ich nichts anzufangen, das war mir Alles zu deutsch-phantastisch und trotz allem in der letzten Tiefe zu bürgerlich.« 47 Auch wenn seine Visionen einer monatlichen Rundschau von Anfang an nebulös waren und zu keinem Zeitpunkt von konkreten

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