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Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Stefan George - Karlauf, T: Stefan George

Titel: Stefan George - Karlauf, T: Stefan George Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Karlauf
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Planungen die Rede sein konnte, gab sich George zuversichtlich und sprach ein Jahr später sogar von Verträgen, die jetzt geschlossen werden müssten. »Nichts zufälliges darf dazwischentreten was den erfolg verhindern könnte. denn wie Sie wissen ist keinen erfolg suchen: gross – ihn suchen und nicht haben unanständig.« 48 Aber es ging für ihn um mehr als um den sichtbaren Erfolg. Menschen wie Hofmannsthal, heißt es in einem nicht abgeschickten Brief vom Herbst 1896, wirkten »nicht blos dadurch was sie schreiben und reden sondern schon dadurch dass sie auf dem Ihnen gehörigen platze stehen«. 49 War schon die Gründung der Blätter für die Kunst 1892 erst mit Hofmannsthals Zusage möglich geworden, so machte George seine Planung auch jetzt davon abhängig, dass er ihn gewinnen konnte: »Sie wissen dass eine vorbedingung die klare unterredung mit Ihnen bildet.« 50 Der Rest würde sich schon finden.
    Hofmannsthals Andeutung der Honorarfrage ließ die Korrespondenz zum wiederholten Mal auf Monate abreißen, die Blätter für die Kunst gerieten erneut in eine schwere Krise. Das letzte Heft des Jahrgangs 1896 hatte den Lesern im ersten Satz stolz eröffnet, das Unternehmen werde »bald aus seinen schranken heraustreten«. 51 Jetzt mussten sich die Abonnenten lange Zeit gedulden, bis sie überhaupt
wieder etwas in die Hände bekamen. Da es George weder gelungen war, seine ambitionierten Pläne einer Monatsschrift voranzubringen, noch die bestehende Zeitschrift programmatisch und personell zu erweitern, stellten die Blätter für die Kunst in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre ihr Erscheinen mehr oder weniger ein. In den drei Jahren von Oktober 1896 bis Oktober 1899 erschien mit knapper Not ein einziges Doppelheft. In den redaktionellen Nachrichten zu diesem Band stellte George alle Expansionsbestrebungen nachträglich in Abrede. Noch sei der Zeitpunkt nicht gekommen, »in den langsamen natürlichen gang unsres unternehmens beschleunigend einzugreifen«. 52 Auf der Suche nach dem Erfolg hatte George zu viel auf einmal gewollt und sich verzettelt. Und wie immer, wenn es galt, eine Krise zu vertuschen, trat er die Flucht in die Exklusivität an: »Von einer erleichterung der aufnahme in unseren mitgliederkreis sehen wir ab.« Als ob das Problem darin bestanden hätte, einen esoterischen Zirkel vor der durch Publikumszulauf drohenden Profanisierung schützen zu müssen.
    In der Vorstellung einer Gemeinschaft von Gleichgesinnten lag für George eine Zauberformel, von der er glaubte, dass sie ihn menschlich und künstlerisch vor Vereinsamung bewahrte. Auch Hofmannsthal suchte er stets aufs Neue davon zu überzeugen, dass der Dichter seine Identität nur innerhalb einer Gemeinschaft finde; erst das Verständnis derer, die nach den gleichen Zielen strebten, gebe ihm die Sicherheit, auf dem richtigen Weg zu sein. Hofmannsthal wollte jedoch keinem gruppendynamischen Prozess unterworfen werden, dessen Bedingungen er nicht kannte. Für ihn waren Kunst und Leben zwei voneinander getrennte Bereiche. »Es führt von der Poesie kein direkter Weg ins Leben, aus dem Leben keiner in die Poesie.« 53
    Die Frage nach den Bedingungen künstlerischer Produktion war, jenseits aller Affektionen, das große Thema des Briefwechsels zwischen George und Hofmannsthal. Schon in dem persönlichen Eklat zu Anfang ihrer Beziehung waren die unterschiedlichen Positionen klar zu Tage getreten. Er fürchte, als Dichter zu verstummen, wenn Hofmannsthal ihn nicht erhöre, hatte George in seinem verklausulierten
Liebesbrief vom Januar 1892 geschrieben; nur gemeinsam mit ihm glaubte er damals einen Ausweg aus der schöpferischen Krise nach Abschluss des Algabal zu finden. Eine solche Fixierung hatte Hofmannsthal verschreckt. In den folgenden Jahren reagierte er immer dann besonders allergisch, wenn er von George aufgefordert wurde, sich endlich aus seiner Vereinzelung zu lösen und näher an die Blätter heranzurücken. Hofmannsthal solle nur einmal zu ihm nach Bingen kommen, lockte George, da werde er ihm »auch gern einmal MENSCHEN vorführen … es ist gefährlich sich nie mit Seinesgleichen zu treffen.« 54 Dass sich Hofmannsthal mit dem Georgeschen Modell nicht anfreunden mochte, hatte mehrere Gründe. Die unglückliche Vorgeschichte spielte dabei ebenso eine Rolle wie Georges Führungsanspruch, dem er sich nicht unterordnen wollte. Die Blätter als Organ einer künstlerischen Bewegung waren ihm in den Konturen zu unscharf, die Beiträger

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