Stefan Zweig - Gesammelte Werke
Und wider mich selber lehrte ich sie, Jakob zu trügen, und verriet ihr das abgeredete Zeichen. Ich hieß sie, dreimal ihm die Stirne zu küssen, ehe sie eintrete in sein Zelt – so, Herr, schlug ich, Rahel, meiner Eifersucht ins Antlitz, so verriet ich Jakob und meine eigene Liebe um deiner Liebe willen.
Da ich also getan und Lea meinen Sinn erkannte, da vermochte sie nicht mehr an sich zu halten, sie fiel hin zu meinen Füßen und küßte meine Hände und meiner Kleider Saum, denn auch dies hast du in die Menschen getan, daß, wo immer sie deiner heiligen Güte ein Zeichen spüren, die Demut sie faßt und der Dank sie bewegt. Und wir umhalsten einander und küßten uns und näßten die Wangen mit unserer Tränen Salz. Schon war Lea getröstet und wollte hinab in das bräutliche Zelt. Doch da sie aufstund von der Erde, erdunkelte ihr abermals das Auge in Sorge, und abermals bebte blaß ihr die Lippe.
›Ich danke dir, Schwester, du Gütige‹, sprach sie zu mir. ›Ich danke dir und will tun nach deinem Geheiß. Aber wie, wenn auch dies Zeichen ihn nicht täuschte? Noch einmal rate mir, Schwester, noch einmal berate mich. Sag mir an, was soll ich tun, so er mich anspricht mit deinem Namen? Kann ich denn schweigsam verharren, so er mich anspricht, der Bräutigam die Braut, und darf doch nicht reden mit der eigenen Stimme, ohne daß er vorzeit den Trug schon erkennte? Was soll ich tun, Schwester, wenn er zu mir spricht, wie soll ich ihm antworten mit deiner Stimme, wenn er mich fragt? Hilf mir, Rahel, hilf mir, du Kluge, hilf mir, du Hilfreiche, um des Allerbarmenden willen!‹
Und abermals, Herr, da sie mich anrief mit dem heiligsten deiner Namen, abermals ging dieser feurige Strahl durch mich hin und zertrennte jedwede Härte in meiner Seele, daß sie helle ward und offen ihrer klagenden Not. Und zum andernmal nahm ich mein eigenes schreiendes Herz, abermals trat ich das Schmerzhafte hin unter die Füße. Und als ich es aufhob und wieder faßte, war es lind in Erbarmen und jedem Opfer bereit. So antwortete ich ihr:
›Sei getrost, Lea, meine Schwester, und sorge dich nicht. Denn um des Allerbarmenden willen will ich dies auf mich nehmen, daß Jakob dich nicht erkenne, ehe er nicht deinen Leib erkannt. So will ich’s tun: indes der Vater dich ihm verschleiert bindet, will ich mich einschleichen in Jakobs Kammer und dort im Dunkeln kauern neben eurem bräutlichen Lager. Und spricht er dich an, so will ich mit meiner Stimme ihm antworten an deiner Statt. Derart wird sein Argwohn weichen, und er wird dich umfangen und deinen Leib segnen mit seinem Samen. Dies aber will ich tun, Lea, um der Liebe willen, die wir eine zur andern hegten von Kindheit an, und um des Allbarmherzigen, den du angerufen, damit auch er dereinst barmherzig sei meinen Kindern, wann immer sie ihn anrufen mit seinem heiligsten Namen.‹
Herr, da umfaßte mich Lea, küßte die Lippen mir, eine andere und Erneute stand die Gebeugte auf von ihren Knien. Ohne Sorge nun ging sie hinab, sich im Schatten des Schleiers Jakob darzubieten. Ich aber tat meine bittere Tat: in Jakobs Zelt schlich ich mich heimlich und barg mich im Dunkel hart neben seinem Lager. Bald dröhnten die Zimbeln jauchzend heran, die Bräutlichen zu geleiten, und schon standen sie beide im Schatten des Eingangs. Ehe aber Jakob das Linnen aufhob, der Verschleierten den Segen des Eingangs zu geben, zögerte er eine Weile, meines heimlichen Zeichens gewärtig. Da küßte ihm Lea, wie ich sie gewiesen, dreimalens die Stirn. Und Jakob, zufrieden des Zeichens, nahm, mich vermeinend, Lea liebend an sich und trug sie hin auf die Lagerstatt, einen Atem nah von meiner zuckenden Lippe. Aber ehe er sie umfaßte, fragte er noch einmal: ›Bist du es wahrhaft, Rahel, die ich fühle?‹ Und da, Herr – hart ward es mir, du weißt es, Allwissender! –, da riß ich die Stimme aus mir wie einen Nagel vom Fleische und flüsterte von nahe: ›Ich bin es, Jakob, mein Gemahl.‹ Des ward er getröstet und brach in sie ein mit seiner Liebe Gewalt. Ich aber – Herr, du weißt es, denn wie die Sense das Gras, so schneidet dein Blick durch die Dunkel – ich aber, Herr, ich kauerte eines Fingers Spanne nur von ihnen, und mir war, als läge ich lebendigen Leibes im Feuer, da jener liebend Lea umfaßte und meinte, mich zu nehmen, die ihm offenstand mit aller Glut ihres Blutes. Herr, entsinne dich, Allgegenwärtiger du, entsinne dich jener Nacht, da ich sieben Stunden mit schmerzenden Knien und
Weitere Kostenlose Bücher