Stefan Zweig - Gesammelte Werke
säumten bei der Beute und jubelten ihres Sieges. Schweigend indes und wie ein Träumender saß Virata. Nur einmal erhob er die Stimme, als sie den Toten das Gewand rauben wollten vom Leibe. Dann stand er auf, befahl, Balken zu raffen und die Leichname auf die Scheiter zu schichten, damit sie verbrannt würden und ihre Seelen rein eingingen in die Verwandlung. Die Knechte wunderten sich, daß er so tat an Verschwörern, deren Leiber zerrissen werden sollten von den Schakalen des Walds und deren Gebeine verbleichen im Grimm der Sonne; doch sie taten nach seinem Geheiß. Als die Scheiterhaufen geschichtet waren, entzündete Virata selber die Flamme und warf Wohlgeruch und Sandel in das glimmende Holz – dann wandte er sein Antlitz und stand in Schweigen, bis die Hölzer rot stürzten und in Asche die Glut zu Boden sank.
Inzwischen hatten die Sklaven die Brücken geendigt, die gestern prahlend die Knechte des Widerkönigs begonnen, voran zogen die Krieger, gekränzt mit Pisangblüten, dann folgten die Knechte und zu Pferde die Fürsten. Virata ließ sie voran, denn ihr Singen und Schreien gellte ihm in der Seele, und als er ging, war ein Abstand zwischen jenen und ihm nach seinem Willen. In der Mitte der Brücke hielt er inne und sah lange hinab in das fließende Wasser zur Rechten und zur Linken – vor ihm aber und hinter ihm hielten, daß sie den Raum wahrten, staunend die Krieger. Und sie sahen, wie er den Arm hob mit dem Schwerte, als wollte er es schwingen wider den Himmel, doch im Sinken ließ er den Griff lässig gleiten, und das Schwert sank in die Flut. Von beiden Ufern sprangen nackte Knaben ins Wasser, um es wieder emporzutauchen, vermeinend, es sei ihm versehentlich entglitten, doch Virata wies sie strenge zurück und schritt weiter, unbewegten Gesichtes und dunkelnder Stirne, zwischen den verwunderten Knechten. Kein Wort bog mehr seine Lippe, indes sie Stunde um Stunde die gelbe Straße der Heimat entgegenzogen.
Noch waren sie ferne den Jaspistoren und zackigen Türmen Birwaghas, da stieg schon eine Wolke weiß in den Himmel, und die Wolke rollte heran, Läufer und Reiter, den Staub überjagend. Und sie hielten inne, da sie den Heerzug sahen, und breiteten Teppiche auf die Straße zum Zeichen, daß der König ihnen entgegenkäme, dessen Sohle irdischen Staub nie berührt von der Stunde der Geburt bis zum Tode, da die Flamme seinen geläuterten Leib umfängt. Und schon nahte von ferne auf dem uralten Elefanten der König, umringt von seinen Knaben. Der Elefant sank, dem Stachel gehorchend, in die Knie, und der König stieg nieder auf den gebreiteten Teppich. Virata wollte sich beugen vor seinem Herrn, aber der König schritt auf ihn zu und umfing ihn mit beiden Armen, eine Ehrung an einem Geringeren, wie sie noch nicht erhört war in der Zeit oder verzeichnet in den Büchern. Virata ließ die Reiher bringen, und als sie die weißen Flügel schlugen, brach Jubel aus, daß die Rosse sich bäumten und die Führer mit dem Stachel die Elefanten zähmen mußten. Der König umarmte, da er die Zeichen des Sieges erschaute, Virata zum andernmal und winkte einem Knechte. Der brachte das Schwert des Heldenvaters der Rajputas, das seit siebenmal siebenhundert Jahren in der Schatzkammer der Könige gelegen, ein Schwert, dessen Griff weiß war von Edelsteinen und in dessen Klinge mit goldenen Zeichen geheime Worte des Sieges geschrieben standen in der Vorväter Schrift, die selbst die Weisen nicht mehr wußten und die Priester des großen Tempels. Und der König reichte Virata das Schwert der Schwerter als die Gabe seines Dankes und zum Wahrbild, daß er von nun ab der oberste seiner Krieger sei und der Heerführer seiner Völker.
Aber Virata beugte sein Antlitz zur Erde und hub es nicht auf, indem er sagte:
»Darf ich eine Gnade erbitten von dem gnädigsten und eine Bitte von dem großmütigsten der Könige?«
Der König sah nieder zu ihm und sagte:
»Sie ist gewährt, noch ehe du dein Auge aufschlägst zu mir. Und fordertest du die Hälfte meines Reiches, so ist sie dein eigen, sobald du die Lippe rührst.«
Da sprach Virata:
»So gestatte, mein König, daß dies Schwert im Schatzhause bleibe, denn ich habe ein Gelöbnis getan in meinem Herzen, kein Schwert mehr zu fassen, seit ich heute meinen Bruder erschlug, den einzigen, der mit mir aus einem Schoß wuchs und der mit mir spielte auf meiner Mutter Händen.«
Erstaunt blickte ihn der König an. Dann sprach er: »So sei ohne Schwert der oberste meiner
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