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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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entstieg, aber der König umfing ihn wie ein Flehender und bat ihn, das Heer zu führen wider den Feind. Virata neigte sich und sprach: »Ich will es tun, Herr, und nicht wiederkehren in dies Haus, ehe die Flamme des Aufruhrs erstickt ist unter dem Fuß deiner Knechte.«
    Und er sammelte seine Söhne, seine Sippen und Sklaven, stieß mit ihnen zu dem Haufen der Getreuen und reihte ihn zum Kriegszuge. Den ganzen Tag wanderten sie durch das Dickicht bis zum Flusse, auf dessen anderem Ufer die Feinde in unendlicher Zahl gesammelt waren, prahlend ihrer Menge und Bäume fällend für eine Brücke, daß sie des Morgens kämen und, selbst eine Flut, das Land mit Blut überschwemmten. Aber Virata kannte von der Jagd des Tigers eine Furt oberhalb der Brücke, und als das Dunkel gesunken war, führte er Mann für Mann die Getreuen durch das Wasser, und nachts fielen sie unversehens über den schlafenden Feind. Sie schwangen Pechfackeln, daß die Elefanten und Büffel scheu wurden und die Schlafenden auf ihrer Flucht zerstampften und die Lohe weiß in die Zelte sprang. Virata aber war als erster in das Zelt des Widerkönigs gestürmt, und ehe die Schlafenden aufschreckten, hatte er schon zwei mit dem Schwerte geschlagen und den dritten, als er eben auffuhr und nach dem seinen griff. Den vierten und den fünften aber schlug er Mann wider Mann im Dunkel, dem einen die Stirn, dem andern in die noch nackte Brust. Sobald sie aber lautlos lagen, Schatten zwischen Schatten, stellte er sich quer vor den Eingang des Zeltes, jedem zu wehren, der eindringen wollte, das Zeichen des Gottes, die weißen Reiher, zu retten. Doch es kamen der Feinde nicht mehr, sie jagten hin in sinnlosem Schrecken und hinter ihnen mit Jubelschreien die siegreichen Knechte. Flucht fuhr vorüber und ward ferner und ferner. Da setzte sich Virata gequerten Knies vor das Zelt beruhigt nieder, das blutige Schwert in Händen, und wartete, bis die Gefährten wiederkämen von ihrer brennenden Jagd.
    Es dauerte aber nur ein geringes, da ward Gottes Tag wach hinter dem Walde, die Palmen brannten im goldenen Rot der Frühe und funkelten wie Fackeln in den Strom. Blutig brach die Sonne auf, die feurige Wunde im Osten. Da erhob sich Virata, legte das Gewand ab, trat zum Strome, die Hände über dem Haupte erhoben, und neigte sich betend vor Gottes leuchtendem Auge; dann stieg er nieder in den Strom zur heiligen Waschung, und das Blut floß ab von seinen Händen. Nun aber das Licht in weißer Welle sein Haupt anrührte, trat er zurück an das Ufer, hüllte sich in sein Gewand und ging hellen Antlitzes wieder zum Zelte, die Taten der Nacht im Morgen zu beschauen. Schreck in den Zügen starr bewahrend, aufgesperrten Auges und zerrissener Gebärde lagen die Toten: mit gespellter Stirne der Widerkönig und mit aufgestoßener Brust der Ungetreue, der vordem Heerführer gewesen im Lande der Birwagher. Virata schloß ihnen die Augen und schritt weiter, die andern zu sehen, die er im Schlafe geschlagen. Sie lagen, noch halb verhüllt von ihren Matten, zweier Antlitz ließ ihn fremd, es waren Sklaven des Verführers aus dem Südland mit wolligem Haar und von schwarzem Gesicht. Da er aber des letzten Antlitz zu sich wandte, ward es ihm dunkel vor den Blicken, denn sein älterer Bruder Belangur, der Fürst der Gebirge, war dies, den jener zur Hilfe gezogen und den er nächtens unwissend erschlagen mit eigener Hand. Zuckend beugte er sich nieder zu des Hingekrümmten Herzen. Aber es schlug nicht mehr, starr standen die offenen Augen des Erschlagenen, und ihre schwarzen Kugeln bohrten sich ihm bis ins Herz. Da ward Viratas Atem ganz klein, und wie ein Abgestorbener saß er zwischen den Toten, abgewandten Blicks, daß nicht das starre Auge jenes, den seine Mutter vor ihm geboren, ihn anklage um seiner Tat willen.
    Bald doch flog Rufen her; wie die wilden Vögel jauchzten von der Verfolgung die Knechte sich heran zum Zelt, reich bebeutet und heiteren Sinns. Da sie den Widerkönig geschlagen fanden in der Mitte der Seinen und geborgen die heiligen Reiher, tanzten sie und sprangen, küßten Virata, der achtlos zwischen ihnen saß, das niederhangende Gewand und rühmten ihn mit neuem Namen als den Blitz des Schwertes. Und immer mehr kamen, sie luden die Beute auf Karren, doch so tief sanken die Räder unter der Last, daß sie mit Dornen die Büffel schlagen mußten und die Barken zu sinken drohten. Ein Bote sprang in den Fluß und eilte voraus, Kunde dem Könige zu bringen, die andern aber

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