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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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abermals die Fanfaren, um anzukündigen, daß der Triumphzug des Feldherrn die äußere Pforte des Hippodroms erreicht habe. Aufgetan wurden die Tore, und abermals schwoll das schon abgedämpfte Brausen der Menge zu jubelndem Donner empor. Da waren sie, die ehernen Kohorten Belisars, die das Weltreich errichtet, die alle Feinde besiegt und ihnen nun Lust erlaubten an sorglosen Spielen! Steiler und geller stieg der Jubel noch an, als hinter den Siegern die Beute geschleppt kam, die Schätze Karthagos, und ihrer Fülle war kein Ende. Erst fuhren stolz die Triumphwagen vor, welche die Vandalen einstens erbeutet, dann trug man auf erhöhten Gerüsten die Thronsessel, die juwelengeschmückten, und unbekannter Götter Altäre, Statuen leuchteten auf, von namenlosen Künstlern geschaffen im Namen der Schönheit, und dann, beladen bis zum Rande, Truhen, gehäuft mit Gold und Kelchen und Vasen und seidenen Gewändern; alles, was das Raubvolk geraubt an allen Enden der Erde, nun kam es zurück und gehörte dem Kaiser, dem Reich, und bei jeder Herrlichkeit jauchzte das Volk von neuem und träumte in gläubigem Rausch, für ewig und immer ströme alle Pracht, aller Reichtum der Erde nun zu ihm.
    Inmitten so blendender Kostbarkeiten fiel es der Menge weiter nicht auf, daß jetzt die Träger einige Gegenstände brachten, die kärglich schienen, gemessen an der andern erlesenen Pracht: einen schmalen, goldüberplätteten Tisch, zwei silberne Tuben und einen siebenarmigen Leuchter. Kein Jubel schwoll diesen unscheinbaren Geräten entgegen. Aber hoch oben inmitten der Menge stöhnte ein alter Mann und grub seine Hand, die linke war es, in seines Nachbars Jojakim Arm: nach achtzig Jahren sah wieder der Greis, was er einstens als Kind gesehen, den heiligen Leuchter aus Schelomos Haus, den Leuchter, den einst seine kindische Hand gefaßt und der ihm für immer den Arm zerschlagen. Seliges Schaun: er war es, derselbe! Unbesiegbar ging durch die ewige Zeit der ewige Leuchter wieder einen Schritt seiner Heimkehr entgegen! Der alte Mann fühlte die Gnade des Wiedersehns wie einen inneren Sturm: nicht mehr konnte er das Unmaß des Jubels verschließen, und heiß schrie er auf: »Unser! Unser! Unser in alle Ewigkeit!«
    Aber niemand und nicht einmal die Nächsten vernahmen den vereinzelten Ruf. Denn in einem einzigen Lustschrei brüllte jetzt die Masse auf: Belisar, der Sieger, hatte die Arena betreten. Weit hinter den Triumphwagen, weit hinter der unermeßlichen Beute, ging er dahin im schlichten Gewand seiner Krieger. Aber das Volk kannte und erkannte seinen Helden und umschmetterte so laut seinen Namen und immer nur den seinen, daß Justinian eifersüchtig die Lippe biß, als sein Feldherr sich jetzt vor ihm beugte.
    Dann wieder brach Stille herein, so voll und gespannt, wie vordem der Lärm gewesen. Gelimer, der König der Vandalen, der, hohnvoll mit einem Purpurmantel bedeckt, hinter Belisar, seinem Besieger, ging, stand nun vor dem Kaiser. Die Knechte rissen ihm den Purpurmantel ab, und der Besiegte warf sich hin auf die Erde. Einen Augenblick ging kein Hauch von den Tausenden und aber Tausenden Lippen. Alles starrte auf die Hand des Basileus. Würde er Gnade geben oder nicht? Würde sein Finger sich heben oder senken? Und siehe, jetzt erhob er ihn, das Leben war dem Besiegten geschenkt, und in einem einzigen Donner entlud sich die Begeisterung. Nur einer inmitten der Menge hatte nicht hingeblickt, Benjamin, der erschütterte Greis. Einzig der Menorah starrte er nach, welche die Träger langsam durch die Arena weiterführten. Nur ihr blickte er zu; und als das heilige Gerät mit dem Zuge verschwand, ward es ihm dunkel vor den Sinnen.
    »Führe mich fort!« Jojakim murrte leise. Der Glanz des einzigen Schauspiels lockte den gierigen jungen Menschen. Aber hart und knochig krampfte sich die Hand des Alten in seinen Arm. »Führe mich! Führe mich fort!« Wie ein Blinder tappte und tastete er dann an seines Helfers Hand quer durch die Stadt, immer noch sah er den Leuchter mit den Blicken der Seele, und ungeduldig der Wanderung, drängte er Jojakim, er möge ihn eilends zur Gemeinde der Juden bringen. Angst überkam ihn mit einemmal, nun, da Anfang und Ende sich berührten, könnte vorzeitig sein Leben zu Ende gehen und er abermals die Rettung des Leuchters versäumen.
    Im Bethause zu Pera harrte unterdes seit Stunden und Stunden die Gemeinde des erlauchten Gastes. Wie in Rom den Juden Bleibe nur am andern Ufer des Stroms verstattet war, so

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