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Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Stefan Zweig - Gesammelte Werke

Titel: Stefan Zweig - Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Zweig
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Gedanken, dachte er fromm. Wie damals erhellte sein Auge sich an der Helle des Himmels: alle die Gefährten, die ihn begleitet, segnete er, da er Abschied nahm von ihnen für immer; dann betrat er mit Jojakim das Schiff. Und wie damals die Vorväter und Väter, so blickten vom Ufer nun erschüttert und erregt die Männer zu, wie die Galeone sich regte und geschwellten Segels vom Ufer stieß. Sie wußten, sie hatten den bitter Geprüften zum letztenmal gesehen, und als das Segel in der Ferne entschwand, fühlten sie sich arm und beraubt.
    Stark und stetig stieß indes das Schiff durch die Flut. Die Wogen schäumten heftig auf, und von Westen rollten dunkle Wolken heran. Besorgt blickten die Steuerleute, ob nicht ein Sturm heranziehe und damit tödliche Gefahr. Aber wenn auch von Wettern gejagt und zweimal zurückgeworfen auf dem Wege, das Schiff bestand die Beschwerde und landete drei Tage nach dem Tage, da Belisar von Afrika die Beute brachte, heil in Byzanz.
    Byzanz, seit von Roms Haupte die Krone gesunken, die Trägerin des Imperiums und die Herrscherin der Welt, wirrte an jenem Morgen von Menschen, denn seit Jahren war dieser Stadt, die Feste und Spiele mehr liebte als Gott und die Gerechtigkeit, kein so herrliches Schauspiel versprochen wie dieses Mal: Belisar, der Besieger der Vandalen, sollte im Zirkus sein siegreiches Heer mit der gesamten Beute dem Basileus, dem Weltherrn, entgegenführen. Unermeßliche Mengen drängten durch die bewimpelten Straßen, eine einzige Masse füllte schwarz den länglich gerundeten riesigen Raum des Hippodroms, und wie ein Meer brandet, murrend und ungeduldig, dröhnte und stöhnte die zusammengedrängte Erwartung. Denn noch stand die kaiserliche Tribüne, die Kathisma, die, mit Säulen überdeckt und prunkvoll beladen, das ungeheure Oval flach abschloß wie ein eingepelltes Ei, völlig leer. Noch war durch den unterirdischen Gang, der diesen festlichen Raum dem Kaiserschlosse verband, der Basileus nicht vor seinem Volke erschienen.
    Endlich verkündeten scharfe Fanfaren den festlichen Augenblick. Zuerst reihten sich, mit ihren roten Gewändern und blitzenden Klingen eine leuchtende Rückwand bildend, die kaiserlichen Garden auf, dann rauschten in seideglänzenden Kleidern die obersten Würdenträger, Priester und Eunuchen heran, dann endlich erschienen, baldachinüberdeckt und in zwei Sänften getragen, Justinian, der Basileus, der Autokratos, die goldene Krone wie einen Heiligenschein gewölbt über dem Haupt, und Theodora im Flimmer ihrer Juwelen. Als sie vortraten an ihren kaiserlichen Platz, prasselte mit einem Schlag von allen Stufen ein Sturz tosenden Jubels herab. Vergessen war, daß in ebendemselben Raum erst vor wenigen Jahren eine gleiche Menge gegen die gleiche Tribüne mit demselben Kaiser gestürmt und zur Strafe dann dreißigtausend Menschen geschlachtet wurden an dieser Stätte; immer löscht der Sieg jede Schuld bei der ewig vergeßlichen Masse. Berauscht vom Prunk und zugleich von der Brunst ihrer eigenen Begeisterung, schrien und tobten und heulten und jubelten in hundert Sprachen diese Tausende Münder, daß die steinerne Wandung bebte vom Widerhall, eine ganze Stadt, eine ganze Welt war es, die ihnen entgegenbebte, dem Bauernsohn aus Mazedonien und der zierlichen Frau, die einstmals – die alten Leute erinnerten sich noch – hier im gleichen Hause nackt ihren Körper als Tänzerin offen darbot und nächtens jedem Beliebigen verkaufte. Aber auch dies war vergessen wie jede Schande nach dem Sieg und jede Gewalttat nach ihrem Triumphe.
    Stumm aber stand über dieser tobenden Masse, die ihren feilen Jubel schmutzig und schreiend wie Spülwasser dem Sieger entgegenschäumte, ein anderes Volk auf den höchsten Terrassen, ein stilles und steinernes Volk: die Hunderte und aber Hunderte der Statuen Griechenlands. Aus ihren Tempeln, wo nur Frieden war, hatte man sie gerissen, diese Bildnisse der Götter, aus Palmyra und aus Kos, aus Korinth und Athen; von ihren Triumphbögen und Säulen hatte man sie geschleppt, nackt und blank, wie sie waren im ewigen Weiß ihres Marmors. Unberührbar von vergänglicher Leidenschaft, für immer eingesenkt in den ewigen Traum ihrer Schönheit, so standen sie da, stumm und anteilslos, sie huldigten dem Irdischen nicht, sie rührten sich nicht. Unbeweglich und stolz starrten sie hinweg über die blutigen Spiele auf die blaue Ferne des Meers, das mit reiner Woge dem Bosporus entgegenschäumte.
    Scharf und ganz nah schrillten jetzt

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