Stefan Zweig - Gesammelte Werke
erstarrt, standen um ihn im vertieften Kreise die Garden in ihren weißen Tuniken, golden behelmt, golden die Ketten um den Hals, und vor ihnen einzeln in weiten purpurnen Seidengewändern die Senatoren, die Würdenträger. Erloschen schien ihnen allen der Atem, erfroren der Blick, und sichtbar war die Absicht dieser gelernten Starrheit, daß jedem, der zum erstenmal vor das Antlitz des Weltherrn trete, selber das Herz vor Ehrfurcht erstarre.
Und in der Tat, erschrocken senkten der Vorsteher und Jojakim den Blick, wie es einem geschieht, der unvermutet in starke Sonne gesehen. Nur Benjamin, der Uralte, blickte klar und unerschüttert zu dem Kaiser auf. Denn zehn Kaiser und Herren Roms hatte er, der eine, in seinem weiten Leben überlebt; so wußte er, daß unter allen ihren kostbaren Insignien und Kronen die Kaiser doch sterbliche Menschen waren, die aßen und tranken, Kot ließen und Weiber beschliefen und hinstarben wie die andern. Seine Seele blieb fest und erschauerte nicht. Gelassen hob er den Blick, um in dem Auge des Herrschers zu lesen, den zu bitten er gesandt war.
Da fühlte er dringlich von rückwärts her die Schulter vom goldenen Stabe berührt und sofort entsann er sich der geforderten Sitte. So schwer es seinen morschen Gliedern ward, er warf sich hin auf den kalten Marmor der Fliesen, die Hände, die Füße ausgestreckt, dreimal drückte er die Stirn auf den Boden, und sein verworrener Bart rauschte fremd über den fühllosen Stein. Dann erhob er sich, ihm half dabei Jojakim, sein Begleiter, schritt gebeugten Nackens bis zu den Stufen heran und küßte dem Kaiser den Saum des Purpurgewandes.
Unbeweglich blieb der Basileus. Seine Pupille starrte wie grüner Stein, das Lid regte, die Braue bewegte sich nicht. Hart blickte er hinweg über den Greis. Denn gleichgültig schien es ihm, dem Kaiser, was zu seinen Füßen geschah und welch Gewürm gerade den Saum seines Kleides bekroch.
Alle drei waren indes auf den Wink des Zeremonienmeisters neuerdings zurückgetreten und standen in einer Reihe, nur der Dolmetsch einen Schritt ihnen voran als ihr lebendiger Mund. Abermals hob der Präpositus den Stab. Nun begann der Dolmetsch seine Rede. Ein Jude sei dies, eigens hergewandert im Auftrag der andern von Rom, um dem Kaiser der Welt Dank und Glückwunsch zu bringen, daß er Rom an den Räubern gerächt und Meer und Land von diesen schlimmen Piraten erlöst. Und da sie vernommen hätten, die Juden der Welt, die dem Kaiser zu eigen sei, der Basileus wolle in seiner Weisheit ein Haus zu Ehren der heiligen Weisheit, Hagia Sophia, erbauen, ein Gotteshaus, das herrlicher und kostbarer sein solle als alle, die man bislang auf Erden gesehen, so hätte es sie trotz ihrer Armseligkeit gedrängt, ein Scherflein zur Heiligung dieses Baues beizusteuern. Klein sei ihre Gabe, gemessen an des Kaisers Herrlichkeit, aber doch das Höchste und Heiligste, was sie hätten von alters her. Als ihre Ahnen fortgewandert seien von Jeruscholajim, hätten sie einen Stein von Schelomos Tempel gerettet. Den brächten sie nun dar, daß er eingesetzt werde in die Grundmauern, damit von Schelomos heiligem Hause ein Teil und ein Segen in dem Hause Justinians sei. Auf ein Zeichen des Präpositus holte Jojakim den schweren Stein heran und rückte ihn hin zu den Geschenken, welche die kaukasischen Gesandten zur Linken des Thrones gehäuft hatten, Pelze, hindustanisches Elfenbein und bestickte Kaschmire. Aber Justinian wandte seinen Blick weder zu dem Dolmetsch noch zu jener Gabe. Leer und gelangweilt blickte er über alle ins Leere hinweg und nur schläfrig regte sich jetzt seine Lippe, es klang ärgerlich und verächtlich:
»Frag, was sie begehren!«
Der Dolmetsch erläuterte in blumiger Rede, es befinde sich in der herrlichen Beute, die Belisar heimgebracht, ein geringes Stück, aber besonders teuer sei es diesem Volke. Denn der Leuchter mit den sieben Armen, welchen einstmals die Heiden über Meer und Länder hinweggeschleppt, sei geraubt aus Schelomos Tempel, dem Gotteshause der Juden. Darum wollten die Juden flehentlich den Kaiser bitten, er möge aus der Beute ihnen diesen Leuchter gewähren, und sie wollten seines Goldes Wert lösen mit dem Doppelten und dem Zehnfachen seines Gewichts. Kein Haus würde sein und keine Hütte, wo nicht alle Juden der Erde täglich Dank sprechen würden im Gebet für den gütigsten aller Kaiser und für die Dauer seiner Herrschaft.
Das Auge des Basileus blieb starr. Verdrossen erwiderte er: »Ich will
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